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Kein Grund zur Euphorie

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Der passt: Frankfurts Topstürmer Randal Kolo Muani hat Dayot Upamecano (l.) vernascht und lässt auch Bayerns Torhüter Yann Sommer mit seinem platzierten Schuss zum 1:1-Endstand keine Chance. © IMAGO

Eintracht Frankfurt hat ein anderes Selbstverständnis - ein 1:1 bei den Bayern wird nicht frenetisch gefeiert, sondern routiniert abgehakt. Das Tor zum Endstand erzielt Randal Kolo Muan mit einer »Weltklasseaktion«.

Am Tag danach setzte sich Markus Krösche dann erst mal an den Stammtisch. Parolen sind zwar so gar nicht das Ding des Sportvorstands der Frankfurter Eintracht, doch der 42-Jährige ist ja nicht nur Manager, sondern auch Repräsentant des Fußball-Bundesligisten vom Main, also ordnete er am Sonntagvormittag im TV-Talk bei Sport 1 nicht nur, aber auch das leistungsgerechte 1:1-Unentschieden beim Abonnementmeister aus München ein. Krösche machte das sehr professionell und cool. Inhaltlich klang das in etwa so: Die Mannschaft habe aus der 1:6-Züchtigung aus dem Hinspiel gelernt. »Offenes Visier hilft gegen Bayern nicht.« Eher gut stehen und schnell umschalten. Das Resultat sei gerecht, sagte Krösche, mit dem Punkt könne er »ganz gut leben«.

Allzu überschwänglich hörte sich das nicht an. Schon tags zuvor, unmittelbar nach dem Spiel, ärgerte sich der Sportchef sogar so ein bisschen über die zögerliche Anfangsphase, in der die Mannschaft in der Tat etwas zu passiv war und zu tief in der eigenen Hälfte stand. »In den ersten 20 Minuten hätten wir aggressiver attackieren können«, monierte er. Erst später sei das Team mutiger, aktiver und besser geworden. »Ein Punkt ist gut, wir sollten ihn dennoch nicht überbewerten.« So ändern sich die Zeiten und auch die Wahrnehmung sowie das Selbstverständnis. Früher hätten die Eintracht-Protagonisten ein 1:1 in München frenetisch gefeiert, heute ärgern sie sich, so frei nach dem Motto: »Schon okay, klar, aber schade, es wäre mehr drin gewesen.« Genau so ist es auch.

Gegen seltsam uninspirierte Bayern waren die Hessen im zweiten Abschnitt näher dran am Sieg. »Wenn wir unsere Konter im letzten Drittel besser ausgespielt hätten, wäre vielleicht noch mehr drin gewesen«, sagte Kapitän Sebastian Rode, der nicht genau wusste, wie er den Punkt einordnen sollte. »Am liebsten würde man noch ein Tor schießen, will aber auch keines kassieren. Es ist immer ein Ritt auf der Rasierklinge.«

Das eine Tor, das die Münchner Führung durch Leroy Sané egalisierte (34.), machte schließlich Randal Kolo Muani, wer auch sonst? Der Frankfurter Wunderstürmer zog einen unwiderstehlichen Sprint an, ließ seinen Landsmann Dayot Upamecano einfach stehen und schloss mit seinem schwächeren linken Fuß eiskalt ins lange Eck ab (69.). »Eine Weltklasseaktion«, wie nicht nur der Münchner Trainer Julian Nagelsmann befand. Kolo Muani ist die Frankfurter Lebensversicherung.

Uninspirierter Meister ist ratlos

Im Bayern-Lager machte sich nach dem Abpfiff eine gewisse Ratlosigkeit breit. Während Nagelsmann den Ist-Zustand als »Ergebniskrise« verniedlichte, sagte Routinier Thomas Müller: »Wir haben nicht gegen Laufkundschaft gespielt«, und er übertrieb in der Gegnerbewertung ein ganz klein wenig. »Die Eintracht ist eines der besten Teams in ganz Europa.« Gerade im zweiten Durchgang habe sich eine gewisse Hilflosigkeit breitgemacht. »Wir hatten dann nicht mehr viele zündende Ideen«, wie Müller einräumte. Das lag in erster Linie an den Gästen, die eine taktische Meiserleistung ablieferten, »großartig«, wie Trainer Oliver Glasner urteilte. Mit höchster Disziplin befolgten die Frankfurter den Matchplan, standen massiv in der eigenen Hälfte, stellten die Anspielstationen zu und drängten die einfallslosen Bayern konsequent nach außen. Von dort ging gar keine Gefahr aus. Und dann setzten die Hessen immer wieder Nadelstiche, trauten sich mehr zu. »In der zweiten Hälfte haben wir alles eine Nuance besser gemacht«, betont der Trainer.

Glasner hatte seine Mannschaft leicht umgebaut, richtig umgebaut. Der formlose Daichi Kamada bekam eine schöpferische Pause, für ihn rotierte Kapitän Rode in die Anfangself. Eine gute Entscheidung. Genauso wie die (überfällige) Hereinnahme von Makoto Hasebe. Der 39-Jährige ist auch in hohem Alter eine Klasse für sich, zeigte erneut eine abgeklärte, souveräne Leistung. »Er hat wieder gezeigt, dass er trotz fortgeschrittenen Alters auf höchstem Level spielen kann«, analysierte Krösche.

Jetzt folgen drei lösbare Aufgabe

Natürlich ist es verständlich, dass Coach Glasner versucht, die Abhängigkeit von einem fast 40-Jährigen aufzuweichen und andere, fast 20 Jahre jüngere Spieler aufzubauen. Doch auf so viel Qualität sollte man freiwillig besser nicht verzichten. Mit Rode, 32, Hasebe, 39, und Mario Götze, 30, stand die geballte Erfahrung auf dem Rasen. Das gibt auch den jüngeren Spielern wie Ansgar Knauff Sicherheit. »Das hilft uns sehr. Sie können das Spiel beruhigen, bringen Struktur hinein«, findet der 21 Jahre alte Knauff. »Die Mischung zwischen jung und alt ist wichtig und ein Schlüssel zum Erfolg.«

Die Eintracht bleibt also oben dran, hat mit Freiburg und München zwei dicken Brocken hinter sich gelassen, sich schadlos gehalten. Sie ist mit fünf Punkten aus der Winterpause gestartet, das ist absolut in Ordnung. Und sie hat jetzt die Möglichkeit, nachzulegen, die nächsten Gegner heißen Hertha BSC, Köln und Bremen - keine Schwergewichte.

Die Frankfurter sind wieder auf dem richtigen Weg, sie haben in München ihre beste Leistung in diesem Jahr abgeliefert. Und vorne sind sie zurzeit eiskalt, machen aus wenigen Chancen konsequent ihre Tore. Das ist gut. Einerseits. Andererseits ist das, wie Krösche nicht zu Unrecht sagt, »eine gefährliche Qualität«. Denn man dürfe sich nicht auf diese bemerkenswerte Effizienz verlassen. »Wir müssen versuchen, uns wieder mehr Chancen rauszuspielen«, gibt er zu bedenken. Fußballerisch muss sich das Team definitiv weiter steigern, die Leichtigkeit ist noch nicht zurück. Aber die Richtung stimmt.

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