»Viel Entwicklungspotenzial«

Gelnhausen/Nidda (flo). Beim TV Gelnhausen läuft’s. Abseits der Platte professionalisiert der Drittligist seine Strukturen - etwa mit der Verpflichtung des Büdingers Thomas Tamberg, der seit Oktober als Leiter Kommunikation, Marketing und Markenentwicklung an Bord ist. Eine ähnliche Funktion übte der 53-Jährige, der in seiner Laufbahn auch schon für den FC Bayern München arbeitete, zuvor beim Ligakontrahenten HSG Hanau aus.
Auf dem Spielfeld indes begeistern die Handballer aus der Barbarossastadt mit sportlichen Erfolgen. Nach 16 von 26 Spielen rangiert der Ex-Zweitligist, der mit einem 23:23-Remis gegen den TuS Dansenberg in die Restsaison startete, auf Platz drei der 3. Liga Süd-West. Im Interview spricht Trainer Matthias Geiger über den Höhenflug und die perspektivische Ausrichtung.
Herr Geiger, 2017/18 rettete sich der TVG über die Abstiegsrunde. Nachdem Sie im November 2018 als Cheftrainer einstiegen, gelang erst souverän der Klassenerhalt, nach zwei abgebrochenen Saisons haben Sie das Team mittlerweile sogar in die Spitzengruppe geführt. Platz vier in der letzten Saison, aktuell Platz drei. Wie haben Sie das gemacht?
Das ist ein stetiger Prozess. Wir haben nach der Saison 2017/18 einen Umbruch eingeleitet, haben ganz viele junge Spieler dabei. Die aufzubauen, braucht seine Zeit. Die meisten sind selbst jetzt erst 20 oder 21 Jahre alt und lernen stetig dazu. Wir haben eine sehr hohe Trainingsqualität, trainieren in der Wettkampfphase vier-, fünfmal pro Woche, in der Vorbereitung teilweise bis zu achtmal wöchentlich. Dieses kontinuierliche Dranbleiben merkt man bei den Jungs. Dazu haben wir eine sehr homogene Truppe. Uns geben die vielen Siege Selbstvertrauen. Das alles sind Faktoren, die dazu beitragen, dass wir so dastehen. Aber uns passieren noch immer viele Fehler, was ganz normal ist für eine der jüngsten Mannschaft aller 68 Drittligisten. Wir haben daher überall noch viel Entwicklungspotenzial.
Im Zuge des Erfolgs ist gerne vom Gelnhäuser Weg die Rede. Was steckt dahinter?
Wir haben ganz viele Spieler, die wir aus der A-Jugend oder aus der 2. Mannschaft integrieren und integriert haben. Nicht viele Drittligisten gehen diesen Weg, den jungen Spielern die Zeit zu geben, sich zu entwickeln. Dieses Risiko sind wir in den letzten Jahren eingegangen - und es fängt nun an, dass sich das auszahlt. Es ist unser Weg, unsere jungen Spieler zu fördern und in den Seniorenbereich zu bringen. Dabei ist das eine sensible Phase, weil sich bei den Jungs mit einer Ausbildung oder einem Studium viel ändert und es zum Drahtseilakt werden kann, daneben noch Leistungssport zu betreiben. Daher kümmern wir uns nicht nur sportlich um die Jungs, sondern wollen auch Persönlichkeiten entwickeln. Eine enorm wichtige Rolle bei diesem Gelnhäuser Weg spielt unser Headcoach Sergej Budanow, der mit seiner riesigen Erfahrung wie kaum ein anderer Talente entwickeln kann.
Das Tempospiel des TVG ist gefürchtet. Welche Rolle spielt das als Erfolgsfaktor?
Das ist ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Spiels und resultiert auch daraus, dass wir noch keine allzu erfahrene Truppe haben. Wir wollen einfache Tore erzielen. Wir kommen dabei viel über unsere Fitness und unsere Athletik, weil die Jungs gut trainiert sind und wir das Tempo über 60 Minuten hochhalten können. Wir werden aber auch in der Abwehr immer stabiler, haben aktuell die zweitbeste Abwehr der Liga. Wir wollen uns also auch in anderen Bereichen weiterentwickeln.
Die Mannschaft performt, der Verein professionalisiert sich, die Zuschauerunterstützung ist ohnehin groß. Die neue Geschäftsführung um Corinna Müller und Martin Heuser, die das Zepter von Hagen Mootz übernommen hat, haben bereits von der 2. Bundesliga gesprochen. Wie weit ist der Weg dorthin noch?
Da gehört viel dazu. Für die 2. Liga muss auch organisatorisch noch gewaltig etwas passieren, aber da ist der Verein dran. Insgesamt ist es jedoch nicht so, dass wir sagen könnten, dass wir nächstes Jahr so weit wären. Wir arbeiten im Sport natürlich darauf hin, wir wollen immer besser werden. Es wird auch mal kleine Rückschläge geben, aber wenn wir kontinuierlich weiterarbeiten, werden wir uns weiterhin entwickeln - und dann schauen wir, wo die Reise hingeht. Von den Zuschauern her sind wir aber auch noch nicht wieder bei den Zahlen vor Corona, da müssen wir uns wieder steigern.
Erfolgreich zu werden, ist das eine. Erfolgreich zu bleiben, das andere. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass der Erfolg Bestand hat?
Wir haben eine langfristige Planung sowohl beim Kader als auch beim Team dahinter. Das ermöglicht kontinuierliches Arbeiten und gibt auch den Spielern Sicherheit. Wir haben einen Prozess angestoßen, der aber natürlich noch immer läuft. Wir sind noch jung, wir suchen noch nach Stabilität und haben noch viele Baustellen. Aber im Großen und Ganzen bewegen wir uns nach vorne, werden stabiler und haben so hoffentlich auch weiterhin sportlichen Erfolg.
Ihr Team hat vier Punkte Rückstand auf Platz zwei, der zur Aufstiegsrunde berechtigt. Wie sehen die Ziele für die restliche Saison aus?
Wir wollen so viele Spiele wie möglich gewinnen und uns in Richtung Pokalrunde bewegen, damit wir auch nach dem letzten Rundenspiel am 1. April noch weitere Spiele haben. Denn mehr Spiele bringen auch mehr Entwicklung. Wir haben aber noch viele schwere Spiele vor uns, es kommen Derbys gegen Hanau oder Nieder-Roden auf uns zu. Es ist durchaus möglich, dass wir noch ein paar Spiele verlieren. Aber diese Spiele brauchen wir für den Reifeprozess der Jungs, um einen wirklich großen Schritt nach vorne zu machen.
Wenn es am Ende die Aufstiegsrunde sein sollte, bedeutet auch das weitere Spiele. Aber ich denke, da darf man auch nicht zu hoch greifen. Wir wollen ruhig und kontinuierlich weiterarbeiten, um dann im April noch weiterspielen zu dürfen.