Verpuffte Experimente

Region (cd). Im schnelllebigen Fußball sind acht Wochen eine sehr kurze Zeit. Das hat der Fußball-Regionalligist Kickers Offenbach erneut belegt. Erst am 27. Februar hatte Präsident Joachim Wagner bei der Mitgliederversammlung eine Lanze für Trainer Ersan Parlatan gebrochen und den OFC unter dessen Leistung »auf einem guten Weg« gewähnt. Das war er auch.
Seit Montag ist die Ära Parlatan (wie bereits berichtet) aber vorbei. Weil sich die Kickers verfahren haben. Wie konnte es dazu kommen? Und für welche Probleme muss Alfred Kaminski, der zum zweiten Mal in dieser Saison als Interimscoach einspringt, versuchen, Lösungen zu finden?
Parlatans etwas mehr als sechsmonatige Amtszeit lässt sich in zwei Phasen unterteilen: die vor und die nach der Winterpause. Aus seinen ersten neun Punktspielen holte er 19 Zähler (sechs Siege, ein Remis, zwei Niederlagen) bei 17:10 Toren. Im Schnitt traf der OFC fast zweimal pro Partie. Mit Beginn der Restsaison haben sich die Kickers bei einem mageren Schnitt von einem Treffer pro Partie eingependelt. Die Folge: Der Punkteschnitt fiel von 2,1 auf 1,5 (drei Siege, drei Remis, zwei Niederlagen). Dabei hatte das Jahr mit drei Pflichtspielsiegen in Folge eigentlich gut begonnen. Jedoch waren bereits die ersten zwei Siege (1:0 im Hessenpokal in Fulda, 1:0 beim FSV Frankfurt) glücklich zustande gekommen.
Parlatan hatte angekündigt, in der Winterpause am Spiel mit Ball arbeiten zu wollen. Hier gab es jedoch keine Fortschritte. Allerdings: Der OFC hatte in Topscorer Jakob Lemmer (acht Tore, vier Vorlagen) und Törles Knöll (2/2) zwei Offensivspieler abgegeben. Dafür kam lediglich ein Ersatz: Mike Feigenspan, der in der 3. Liga kaum Spielpraxis hatte. Außerdem fehlte in den ersten Partien nach der Winterpause in Spielmacher Christian Derflinger (4/2) ein Akteur, der dreimal das 1:0 erzielt hatte. Alleine dieses Trio brachte es in der Hinrunde auf 22 Torbeteiligungen. Dass zudem Mittelfeldstratege Björn Jopek (5/4) phasenweise ausfiel und sich der einmal gelb-gesperrte Dominik Wanner (4/4) gegen Kassel am Knie verletzte und mit einem Innenbandriss bis zum Saisonende ausfällt, machte es nicht einfacher.
Gleichwohl hatten die Kickers stets auf die Qualität ihres Kaders verwiesen. Diese kam zuletzt aber kaum noch zum Vorschein. Unter anderem hatte Parlatan mangelnden Mut bei seinen Offensivkräften ausgemacht. An diesem Punkt will auch Kaminski ansetzen, aber offenbar auf andere Weise. Er hatte in seiner ersten Ära als Interimstrainer dreimal aufs gleiche System (4-2-3-1) gesetzt, damit für Sicherheit gesorgt und erreicht, dass sich in kurzer Zeit Automatismen entwickeln konnten. Parlatan wirkte hingegen bis zuletzt wie ein Suchender und experimentierte (zu) viel herum.
Dass er mit Start der Restsaison auf ein 3-5-2 wechselte, war auch der Tatsache geschuldet, dass in Jayson Breitenbach, Maximilian Rossmann und dem genesenen Kapitän Sebastian Zieleniecki drei starke Innenverteidiger zur Verfügung standen, von denen man keinen auf die Bank setzen wollte. Als Schienenspieler agierten in Vincent Moreno und Ronny Marcos zwei gelernte Außenverteidiger. Folge: Die Kickers standen zwar recht stabil, hatten aber nominell einen Defensivspieler mehr auf dem Platz. Dass Parlatan an diesem System festhielt, als Stützen wie Rossmann und Marcos fehlten, war ebenso wenig förderlich wie die häufigen Wechsel. Feigenspan und Wanner, die es in Homburg gut gemacht hatten, spielten in der folgenden Partie auf den gegenüberliegenden Seiten. Und vor dem Duell in Fulda nahm Parlatan zusätzlich zu zwei krankheits- bzw. verletzungsbedingten Wechseln vier weitere personelle Änderungen vor, um für Frische zu sorgen. Das Ergebnis ist bekannt.
Der inzwischen freigestellte Trainer und der spätestens zum Rundenende scheidende Geschäftsführer Matthias Georg waren trotz des jüngsten Abwärtstrends der Meinung, die Wende zu schaffen und mit Blick auf die kommende Saison die richtigen Personalentscheidungen zu treffen. Vor allem im Sturm wollte man nachlegen. Neben Cas Peters (FSV Frankfurt) sowie Jannik Mause (Alemannia Aachen) soll auch Moritz Göttel (einst Steinbach, Elversberg und RW Koblenz, aktuell 19 Tore, fünf Vorlagen für den VfV Borussia 06 Hildesheim in der Regionalliga Nord) ein Thema gewesen sein. Ob sie das weiterhin sind, ist unklar. Kaminski wird parallel zu seiner Tätigkeit als Interimstrainer auch die Kaderplanung für kommende Saison übernehmen. Er muss das Aufgebot ausgewogener gestalten. Es gibt unter anderem reichlich Achter, aber keinen klaren Sechser, Rückkehrer Sascha Korb könnte diese Rolle kommende Saison übernehmen. Allerdings war auch diese Personalie im Klub durchaus lebhaft diskutiert worden. Es gab offenbar in einigen Punkten sehr unterschiedliche Auffassungen.