Stückwerk statt Spielfluss

Wächst da ein Angstgegner für die HSG Gedern/Nidda heran? Fakt ist: Die 28:32 (12:12)-Heimpleite gegen die HSG Rodgau Nieder-Roden ist die dritte Niederlage im vierten Drittligaduell.
Während sich Ergün Sahin, der erfolgreiche Trainer der Gäste, das Gewinner-Bier schmecken ließ, begab sich HSG-Coach Christian Breiler einige Meter weiter auf die Suche nach Ursachen. Eine strich der 45-Jährige besonders heraus: »Ich will meiner Mannschaft nicht den Willen absprechen. Aber die Aufmerksamkeit und die geistige Frische haben aus meiner Sicht vollkommen gefehlt.«
Sonderlich weit daher geholt war diese Erkenntnis nicht. Zu viele Momente in dieser Begegnung, die die HSG Gedern/Nidda in der 3. Handball-Liga mit 28:32 gegen die HSG Rodgau Nieder-Roden verlor, stützten des Trainers These. Etwa dass die Gastgeberinnen kaum einen defensiven Abpraller einsammelten. Oder dass Sabine Kaisers Lattenkracher aus einem Freiwurf heraus mangels defensiver Absicherung zum perfekten Tempogegenstoßpass mutierte, der zum 12:12-Halbzeitstand führte. Oder dass Rica Wäscher nach etwas mehr als 50 Minuten bei einer Abwehraktion für den Bruchteil einer Sekunde abschaltete und daraus der 24:26-Durchbruch mitsamt Zeitstrafe für die HSG-Rückraumkraft resultierte. Summa summarum kein Wunder also, dass sich Breiler insgesamt »schon enttäuscht über diese Leistung« zeigte.
Vielleicht hing es mit diesem Mangel an psychischer Präsenz zusammen, dass die Ballwerferinnen aus Gedern und Nidda über 60 Minuten hinweg arge Schwierigkeiten hatten, ein strukturiertes Angriffsspiel aufzuziehen. Fahrig und mühselig waren die Offensivbemühungen der Breiler-Sieben, Kampf statt Kunst, Stückwerk statt Spielfluss. »Ohne jeden gegnerischen Einfluss haben wir den Ball etliche Male weggespielt«, haderte der Trainer, dessen Team insgesamt 17 technische Fehler anhäufte.
Und dann fehlten auch Impulse von denen, die üblicherweise antreiben. Mittelfrau Eva Schneider gab aufgrund vieler Ballverluste im Gesamtbild eine unglückliche Figur ab, wurde in der Zentrale stellenweise von Kirsten Schindler ersetzt.
Ordentliche Abwehr in Halbzeit eins
Im linken Rückraum - eigentlich so etwas wie eine Paradeposition der HSG - passierte wenig: Die eigentlich so wurfgewaltige Halblinke Rica Wäscher erzielte bei acht Würfen nur zwei Tore, Sabine Kaiser kam kaum einmal in Abschlusssituationen.
Weil aber in Hälfte eins die Abwehr ordentlich arbeitete, Torfrau Yvonne Petek zehn Bälle abwehrte und Gedern/Nidda immerhin vier Mal per Tempogegenstoß erfolgreich war, führten die Gastgeberinnen nach 24 Minuten trotzdem mit 12:10. Dieser Vorsprung war beim Pausen-12:12 allerdings schon wieder futsch.
Dass die HSG nach Wiederbeginn zwei Mal hinten das Harzleder eroberte, es dann aber vorne aufgrund technischer Fehler wieder herschenkte, passte ins Bild. Und dennoch: Bis zur Crunchtime blieb die Breiler-Truppe dran, legte auch immer wieder selbst vor. Als dann aber einigermaßen plötzlich die defensive Stabilität in den Schlussminuten verloren ging, war es jedoch um die Wetterauerinnen geschehen. Nach dem 24:23 (49.) mündeten neun von zwölf Nieder-Rodener Angriffen in Toren, die HSG bekam ihren in dieser Phase sehr treffsicheren Gegner überhaupt nicht mehr zu fassen. Der stellte so zunächst schnurstracks auf 24:28 (55.) - und geriet danach nicht mehr ins Straucheln, weil die Gastgeberinnen den Schalter im Angriff auch zum Ende hin nicht mehr umzulegen vermochten.
»Wir haben in der zweiten Hälfte 20 Gegentore kassiert. Das spricht für sich«, befand Breiler. Zum zweiten Mal in Folge 32 Gegentreffer, davor gar 34 gegen Bensheim/Auerbach II: Die Zeit rund um das anstehende spielfreie Wochenende dürfte die HSG Gedern/Nidda auch dazu nutzen, um ihre Abwehr zu festigen. Ehe es dann am 29. Oktober zum verlustpunktfreien Tabellenzweiten HSG Freiburg geht.
HSG Gedern/Nidda: Petek, Heß (ab 50.); Patz, Pfaff (1), Oberheim (n.e.), Hutin (1), Kaiser, Wäscher (2), Schneider (4), Niebergall (n.e.), Schinder (13/7), Krauß, Droll (3), Litvinov, Schäfer (4).
HSG Rodgau Nieder-Roden: Born (38. - 47.), Aassou (n.e.), Speckhardt; Burgard (6), Bretz (5), Eichler (1), L. Keller (2), Statzner, Mertens (5), Magnago (1), K. Keller (1), Tomashevska, Riecke, Götz (6/5), Göbel (3), Adanir (2).
Schiedsrichter: Sakovski/Schneider (Remscheid/Wuppertal) - Zuschauer: 250 - Zeitstrafen: 8:10 Minuten (Hutin, Kaiser, Wäscher, Droll - Burgard/2, Bretz, K. Keller/2) - Siebenmeter : 7/7:5/5 - Spielfilm: 4:4 (10.), 9:9 (20.), 12:12 (30.), 16:17 (40.), 24:25 (50.), 24:28 (54.), 28:32 (60.).
Von Florian Deis
