"Regeln, nach denen wir spielen können"
GEDERN/REGION - Immer wieder neue Corona-Regeln, immer wieder neue Richtlinien. Vor wenigen Tagen traf es die Amateurfußballvereine in den Landkreisen mit steigenden Infektionszahlen. Sie sollen sich fortan an ein Eskalationskonzept der Landesregierung halten. Unter anderem ist darin festgelegt, dass ab einem Inzidenzwert von 35 Kabinen und Innenräume nur noch von Geimpften, Genesenen und Getesteten betreten werden dürfen (wir berichteten).
Das Papier sieht weitere Einschränkungen bei steigenden Inzidenzwerten vor (siehe Extra-Text).
Natürlich war der Aufschrei bei vielen Clubs groß", berichtet Frank Illing, Mitarbeiter des Hessischen Fußball-Verbandes (HFV). Der Vorsitzende des Verbandsausschusses für Qualifizierung und Vereinsentwicklung, der das Papier an die Vereine schickte und am Wochenende unzählige Rückmeldungen erhielt, sieht das Glas aber eher halb voll: "Das sind die Regeln, nach denen wir spielen können. Im vergangenen Jahr, als nichts ging, hätten die Fußballer geschlossene Kabinen liebend gern in Kauf genommen, wenn dafür Training und Wettkampf möglich gewesen wären. Jetzt haben wir die Möglichkeit auf einen geregelten Spielbetrieb - und nun gibt es Geschrei, weil nur Geimpfte, Genesene und Getestete die Kabinen betreten dürfen." Illing betont darüber hinaus, "dass es nicht unsere Regeln sind". Der HFV hat lediglich "die Vorgaben der Landesregierung weitergegeben und die für den Fußball relevanten Passagen herausgearbeitet".
Illing weiß natürlich auch, dass auf die Clubs speziell an Heimspieltagen zusätzliche Arbeit zukommt, weil zwecks Kontrolle mehr Helfer benötigt würden. "Trotzdem sollten wir vielmehr froh sein, dass wir im Vergleich zum Herbst des vergangenen Jahres auf den Platz gehen und spielen können."
Toilettenproblem gelöst
Zudem bietet der Hasselröther den Vereinen Hilfe an. "Wir haben ein Formular erarbeitet, das wir den Vereinen zur Verfügung stellen. Dort können Gastmannschaften eintragen, welche ihrer Spieler geimpft und genesen sind oder einen aktuellen Test mitbringen. Dann müssten die Hausherren den Gast vor dem Eintritt in den Kabinenbereich nicht mehr kontrollieren."
Außerdem hat Illing das Toilettenproblem vom vergangenen Wochenende gelöst. "Jeder kann die Toiletten ohne Nachweis benutzen. Der Raum sollte aber alleine betreten werden - und Warteschlangen sollten sich möglichst im Freien bilden."
Selbsttest möglich
Eine weitere große Erleichterung könnte das gestern erarbeitete Selbsttestangebot sein. "Die Vereine erhalten die Möglichkeit, dass beispielsweise der Trainer seine Spieler vor einem Training oder Spiel testen kann. Allerdings müsste sich der Trainer vorab von Test-Experten schulen lassen und auf dem Sportgelände Räumlichkeiten schaffen", betont Illing, der darauf verweist, "dass wir aktuell noch viele Details mit dem Sozialministerium klären". Dabei gehe es unter anderem um Datenschutz und die Haftungsfrage. "Vielleicht ist das den Vereinen aber auch zu heiß."
HFV kontrolliert nicht
Zu weiteren Fragen, die die Clubs seit dem vergangenen Wochenende beschäftigen, bezog der Vorsitzende des Verbandsausschusses für Qualifizierung und Vereinsentwicklung ebenfalls Stellung. Wer kontrolliert, ob die Vereine Besucher und Spieler kontrollieren? Illings Antwort: "Diese Aufgabe obliegt den Gesundheits- und Ordnungsämtern, die entsprechend sanktionieren können. Wir können keine Strafen aussprechen, weil es nicht unsere Vorgaben sind."
Dementsprechend werde der Hessische Fußball-Verband auch nicht eingreifen, falls ein weder genesener, geimpfter oder getesteter Akteur ab einer Inzidenz von 100 entgegen der Vorgaben ein Spiel bestreitet. "Da wird es auf keinen Fall eine 3:0-Wertung für den Gegner geben. Lediglich der Schiedsrichter, der die Akteure ebenfalls nicht kontrollieren wird, hat die Möglichkeit, ein Spiel erst gar nicht anzupfeifen, falls er gravierende Sicherheitsmängel und die Gefährdung der Gesundheit sieht. Beispielsweise, wenn sich gefühlt 1000 Leute im Kabinentrakt aufhalten."
Was Illing besonders wichtig ist: "Der Spielbetrieb im Nachwuchsbereich ist nicht betroffen, kann also reibungslos ablaufen. Die Kinder werden regelmäßig in der Schule getestet und haben ihren Nachweis. Jüngere sind von der Testpflicht befreit."
Wie lange die Vereine dieses Eskalationskonzept umsetzen sollten, kann der Hasselröther nicht sagen. "Sicherlich wird gerade darüber diskutiert, dass der Inzidenzwert abgeschafft werden soll. Es gibt schon einige Bundesländer, die Regeln nicht mehr an den Wert koppeln. Hessen ist da eher konservativ." So oder so werde man aber ein 2G- oder 3G-Konzept brauchen.
Gruppenligist FC Alemannia Gedern arbeitete am vergangenen Wochenende mit dem neuen Konzept. "Wir hatten zwölf Helfer im Einsatz, postierten unter anderem Ehrenamtliche vor dem Kabinenbereich. Zudem redeten wir viel mit den Leuten, erinnerten immer wieder an die Regeln", berichtet der 2. Vorsitzende Christian Müller, der mit seinem Team außerdem neue Hinweisschilder auf dem Sportgelände angebracht hat. Immerhin 260 Zuschauer kamen zum Derby gegen die Sportfreunde Oberau. Negative Zwischenfälle gab es keine.
Wobei Gederns Vorsitzender Kai Grüning nicht weiß, "wie lange die Vereine das noch leisten können". Auch Büdingens Kreisfußballwart Jörg Hinterseher hat "kein gutes Gefühl", wenn er auf das Eskalationskonzept schaut. "Wie sollen die Vereine das umsetzen? Da benötigt man pro Heimspiel fünf zusätzliche Helfer zwecks Kontrolle", sagte er bereits im Kreis-Anzeiger vom Samstag. Dennoch appelliert Hinterseher an die Clubs, "die Maßnahmen so gut wie möglich umzusetzen". Es solle schließlich nicht irgendwann heißen, "dass unser Amateurfußball zum Corona-Hotspot geworden ist." Wobei trotz dieser Kontrollen auch klar sein dürfte: Jeder Verein muss auf die Richtigkeit der Zuschauer-Aussagen und Dokumente vertrauen.
Hohe Gederner Impfquote
Alemannia Gedern habe in vielerlei Hinsicht Glück. "Unser Sportgelände ist eingezäunt und kann deshalb nur über den Kassenbereich betreten werden. Zudem haben wir eine riesige Verkaufshütte, weshalb wir unser Sportheim zu einer dritten Umkleidekabine umfunktionieren konnten. Andere Vereine haben da größere Probleme und vielleicht kaum ehrenamtlich Helfer", so Grüning. Außerdem stimme die Impfquote in der Mannschaft. "Am Wochenende standen lediglich zwei ungeimpfte Akteure, die sich dann testen ließen, auf dem Spielberichtsbogen." Weil es in Gedern aktuell gut läuft, kann Grüning sogar schon für die ungemütlichere Jahreszeit planen. "Wenn das Wetter schlechter wird, stellen wir vielleicht noch ein Zelt auf." Der Herbst kann - zumindest beim FC Alemannia - kommen.
Eskalationskonzept
"In Kreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 35 gilt, dass Innenräume von Sportanlagen nur unter der Anwendung der 3G-Regel betreten werden dürfen. Das betrifft sowohl den Trainings- als auch den Spielbetrieb. Konkret dürfen also Kabinen und Duschen nur von Geimpften, Genesenen und Getesteten betreten werden. Analog gilt diese Regelung auch für Vereinsheime."So steht es im Eskalationskonzept. Für Jugendspieler genüge der Nachweis über die in der Schule ausgegebenen Testhefte. Alternativ könne selbstverständlich generell auf die Nutzung von Umkleiden und Duschen verzichtet werden.
Für das unter freiem Himmel stattfindende Spiel oder Training gibt es aktuell keine Einschränkungen. Fußball ist weiterhin für alle Altersklassen in voller Mannschaftsstärke erlaubt. Zuschauer sind beim Trainings- und Wettkampfbetrieb zulässig, wenn sichergestellt wird, dass diese den allgemeinen Vorgaben für Veranstaltungen nachkommen können.
"Der Sportstättenbetreiber ist für die Überwachung der Negativnachweise verantwortlich. Dies ist der jeweilige Heimverein beim Spielbetrieb. Sollte die 7-Tage-Inzidenz in einem Kreis über 100 steigen, gilt die 3G-Regelung bereits für den Zutritt zum Sportgelände. Die Teilnahme am Trainings- und Spielbetrieb wäre dann nur geimpft, genesen oder getestet möglich", schreibt der Hessische Fußball-Verband an die Vereine. Die vorgenannten Maßnahmen seien vom jeweiligen Landkreis oder kreisfreien Stadt per Allgemeinverfügung anzuordnen.