+
Wer den Schiedsrichter beschimpft oder beleidigt, muss mit der Verweisung vom Sportplatz rechnen. Dunkle Wolken gab es zuletzt wieder über einigen Fußballfeldern, auf denen es schwerwiegende Übergriffe auf Schiedsrichter gab. So auch beim C-Junioren-Kreispokal-Finale im benachbarten Kreis Frankfurt.

Die Wucht der Wut

Frankfurt (jcm). Die Bilder muten verstörend an. Sie sind am 1. Mai mit einer Handykamera gefilmt worden und wurden von der Schiedsrichtervereinigung Frankfurt auf deren Instagram-Profil hochgeladen. Ein groß gewachsener Mann mittleren Alters bestürmt nach dem 0:2 verloren gegangenen C-Junioren-Kreispokalfinale des FC Kalbach gegen Germania Enkheim den 15 Jahre alten Schiedsrichter.

Laut der Frankfurter Schiedsrichtervereinigung droht er dem jugendlichen Referee, »ihn zu köpfen«. Die Polizei ermittelt wegen Beleidigung und Bedrohung. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und der Hessische Fußballverband (HFV) haben inzwischen reagiert.

Der krasse Vorfall hat vor allem deshalb derart hohe mediale Wellen geschlagen, weil Frankfurts Schiedsrichterchef Goran Culjak sich entschied, das Video zu veröffentlichen. Der Frankfurter Kreisfußballwart Rainer Nagel schimpft: »Das Video wurde ohne Absprache ins Netz gestellt. Das ist ein Alleingang, über den wir sauer sind.« Das berichtet die Frankfurter Rundschau.

Bei der C-Jugend des FC Kalbach aus dem Frankfurter Norden handele es sich um eine faire Mannschaft, nun werde der Verein »wegen so eines Vorfalls, weil ein Vater durchdreht, in Verruf gebracht«.

Schiri-Chef Culjak sieht das anders: »Die wollen ihre Vereine schützen. Wir dagegen wollen dokumentieren, dass hier eine rote Linie weit überschrittenen wurde.« Das Video habe »bei Bild.de einen halben Tag lang gar über Putin gestanden«. Der Vater habe den jungen Schiedsrichter schon während des Spiels ausdauernd beschimpft, ohne dass von Vereinsseite eingeschritten worden sei.

Ohnehin, so Culjak, sei es notwendig, dass Ordnungspersonal, wie vom Verband vorgeschrieben, bei Amateurspielen grundsätzlich zum Einsatz komme und Schiedsrichter vor Ort besser betreut würden. »In den Spielberichten muss jeder Verein einen Hygienebeauftragten eintragen, aber keinen Schiedsrichterbetreuer. Da sind die Schwerpunkte falsch gesetzt.« Zumal eine Woche vor der Attacke in Kalbach ein C-Klasse-Spieler in Frankfurt einen Schiedsrichter zweimal ins Gesicht geschlagen und niedergestreckt hätte. »Es fehlt an Wertschätzung, Respekt und Schutz.«

»Äußerst schockiert«

Der FC Kalbach schreibt auf seiner Homepage, man habe sich für das »unentschuldbare Verhalten des Vaters unseres Mitgliedes zu entschuldigen« und sei »in äußerstem Maße schockiert«. Kreisfußballwart Nagel räumt ein, es handele sich um einen »ernst zu nehmenden Vorfall«.

Der DFB ordnete das Geschehen in einen größeren Zusammenhang ein und erinnerte unter anderem an einen Spielabbruch neulich in der 3. Liga in Zwickau, als ein Sponsor einem Schiedsrichter Bier aus Nahdistanz ins Gesicht schüttete, zudem die massiven Drohungen gegen Sascha Stegemann nach dessen Fehlentscheidung im Bundesligaspiel Bochum gegen Dortmund.

DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann äußerte auf Anfrage der Frankfurter Rundschau: »Wir haben ein gesellschaftliches Problem in Umgang, Respekt und Verhalten. Unparteiische unter dem Deckmantel der Emotion als Zielscheibe eigenen Unmuts zu nutzen - damit muss endlich Schluss sein.« Zimmermann verweist darauf, dass der DFB kürzlich das »Jahr der Schiris« ausgerufen hat, auch, um gegen die latente Respektlosigkeit« gegenüber Unparteiischen anzukämpfen.

Der Hessische Fußballverband (HFV) - nach dem Rücktritt von Stefan Reuß im vergangenen Juni ohne Präsident - wird aktuell von einem Gremium um Vizepräsidentin Silke Sinning angeführt.

Sinning ist die Frau, die im März 2022 für Schlagzeilen sorgte, als sie sich in der Wahl zum DFB-Präsidium gegen den DFB-Ex-Topfunktionär Rainer Koch durchsetzte. Der Frankfurter Schiedsrichterchef Culjak hält den hessischen Landesverband aufgrund der verwaisten Präsidentenposition für »kopf- und führunglos«. Der DFB dagegen leiste gute Arbeit.

Verfahren vor Verbandsgericht

Der Hessische Fußball-Verband reagierte auf Anfrage der Frankfurter Rundschau am Mittwoch auf die Geschehnisse und verurteilte »die Drohungen und Beschimpfungen«. Das Verfahren finde auch wegen des besonderen öffentliches Interesses vor dem Verbandssportgericht statt, nicht wie sonst üblich lediglich vor dem Kreissportgericht.

Generell sei es »wichtig, diese zwar selten auftretenden, aber gravierenden Gewalthandlungen so gut wie möglich einzudämmen«. Der geschädigte Jung-Referee erfahre Unterstützung durch den Verbandsschiedsrichterausschuss.