Den Puls beruhigt

Region (ra). D ie HSG Wetzlar hat nach einer durch die Entlassung von Trainer Benjamin Matschke aufwühlenden Woche den Puls beruhigen können. Mit einem 26:23 (14:10)-Erfolg am Donnerstagabend bei der bis in dieser Saison dato so souverän aufgetretenen TSV Hannover-Burgdorf. Dass neben dem sportlichen Bereich aber auch noch das innerbetriebliche Klima zu verbessern sein wird, haben die kritisch-klaren Worte vom achtfachen Torschützen Lenny Rubin gezeigt.
»Wir hatten viel Stress nach Entscheidungen, die ich als Spieler nicht verstehen muss«, sagte der Schweizer auf Sky, »aber wir haben den Verantwortlichen gezeigt, dass wir es besser können. Und wir haben auch für Ben gespielt«. Richtig. Aber eben die 13 Partien zuvor selten.
Eine starke 6:0-Deckung, ein starker Till Klimpke zwischen den Pfosten, eine bessere Abschlussquote von 57 Prozent. Würde man sich - wie in den Wochen und Monaten zuvor - allein wieder nur Statistiken bedienen, wären die Sieggründe schnell ausgemacht. Es war aber mehr, weit mehr - bei allen technischen Fehlern (11 !), bei allen Schwächen im Entscheidungsverhalten, bei allen fehlenden Laufwegen im Gegenstoß.
18 Torhütergroßtaten von Till Klimpke bedeuteten umgekehrt, dass die Bozovic, Edvardsson und Co. durchaus die vermeintlich so kompakte Wetzlarer Deckung überwunden und ihre Chancen hatten. Diesmal nur fehlte bei den gastgebenden Prokop-Schützlingen die Effektivität, die Emotionalität, die Aggressivität.
Und gerade das war es, was die Grün-Weißen in der niedersächsichen Landeshauptstadt gegenüber den letzten verlorenen Partien ausmachte. Das Spiel wirkte geduldiger. Der Rückzug geordneter. Weniger videoanalytisch, da wurde der Handball-Stier in den Zweikämpfen und vor allem im gegenseitigen Aushelfen bei den Hörnern gepackt; da kam Lenny Rubin stets Erik Schmidt zuhilfe, wenige Meter daneben der defensivstarke Hendrik Wagner gleichfalls Jovica Nikolic. Und vor allem hatte man das Gefühl, das plötzlich Handball wieder gefühlt wurde. Auch wenn die offensive 5:1-Abwehr der Hausherren ihre Wirkung zuweilen nicht verfehlte, dieser standen u. a. die schnellen Beine von Jonas Schelker und Schlitzohr Jovica Nikolic sowie ein förmlich explodierender Lenny Rubin entgegen.
Auf die Frage am Tag danach, wie viel Kai Wandschneider im Erfolg von Hannover stecke, musste Interimscoach Jasmin Camdzic schmunzeln: »Null Prozent. Er hat mir auf der Heimfahrt telefonisch privat gratuliert. Im Vorfeld gab es keinen Kontakt, geschweige denn taktische Hilfestellung durch ihn.« Um zudem klarstellend anzufügen: »Auch hat es, wie andernorts spekuliert wird, definitiv keine Trainer- bzw. Rückkehr-Anfrage unsererseits gegeben.«
Fraglos war der Erfolg an diesem letzten Donnerstag im November einer der bedeutsamsten in der jüngeren Bundesliga-Historie der HSG Wetzlar. Denn das Restprogramm bis Jahresende sieht Heimspiele gegen THW Kiel und die Rhein-Neckar Löwen sowie Auswärtspartien beim TBV Lemgo-Lippe und bei der SG Flensburg/Handewitt vor. Da liegen die für den Klassenerhalt notwendigen Punkte in Konkurrenz zu GWD Minden, TVB Stuttgart, Bergischer HC und Frisch Auf Göppingen nicht gerade auf der Straße. Zumindest sind die Nyfjäll und Co. aber nicht von ihr abgekommen.