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120 Jahre und kein bisschen leise

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Frank Brücker zirkelt das »Neckarsulmer Motorrad« aus dem Jahr 1902 um den Schottener Stadtkurs. © Oliver Potengowski

Schotten (ten). Auch bei historischem Motorsport denkt man zunächst an Geschwindigkeit. Die Freunde der Antikklasse im Programm des 32. Internationalen Schottenring Historic Grand Prix fasziniert an den alten Motorrädern dagegen die Technikentwicklung und wie sich eine Maschine, die älter als ein Menschenalter ist, anfühlt.

»Manche stehen drauf, immer schneller, immer stärker«, erläutert der 45-jährige Christian Klein aus Daaden im Westerwald seine Beziehung zu Motorrädern. »Bei mir musste es immer älter sein.« In einer Motorradzeitschrift stieß er auf seine Motobecane MB3 aus dem Jahr 1927. »Ich wollte halt ein Motorrad mit Riemenantrieb«, erklärt er, warum seine Wahl auf die französische Maschine der Zwischenkriegszeit fiel. »Das Schöne ist, dass die völlig original ist«, freut er sich über die Patina. Die Motobecane verleugnet ihr Alter nicht. Doch weiterer Verfall ist gestoppt.

Tadellose Technik

Auch die Technik ist in tadellosem Zustand. Denn die 95 Jahre alte Maschine ist zugelassen und hat TÜV. Bis dahin waren jedoch Hürden zu überwinden. »Der TÜV-Süd hatte sogar ein Datenblatt«, erinnert sich Klein. Allerdings ließ die Prüforganisation sich das auch üppig bezahlen. Trotzdem war der Weg weit, um die Motobecane so original wie möglich wieder auf die Straße zu bringen. »Als ich das dritte Mal da war, hatte ich endlich alle Auflagen erfüllt.«

An dem Motorrad, das mehr als doppelt so alt ist wie er, fasziniert Klein die Beziehung zu Material und Maschine. »Wenn Du Ersatzteile brauchst, musst Du die nachbauen«, erläutert er. »Das ist aber das Schöne daran, dass Du etwas mit eigenen Händen geschaffen hast.«

Bei Frank Brücker aus Rimbach im Odenwald war die Oldtimer-Liebhaberei seines Vaters der Anstoß, weshalb er sich mit damals 26 Jahren ein heute 120 Jahre altes Motorrad. Wobei diese Bezeichnung eine Übertreibung für die Teilesammlung, die er aus Tschechien mitbrachte war. Dennoch war Brücker froh, über »Mund-zu-Mund-Propaganda« eines der ältesten Motorräder in Deutschland kaufen zu können.

Denn das »Neckarsulmer Motorrad«, wie es nach der Tankbeschriftung heißt, wurde überhaupt erst seit 1901 gebaut. Das Unternehmen, aus dem später NSU entstand hatte bis dahin nur Fahrräder gebaut. Auch Brückers Motorrad aus dem Jahr 1902 ist im wesentlichen ein Fahrradrahmen mit einem neben dem Tretlager eingebauten Schweizer Zedel-Motor mit 211 Kubikzentimeter Hubraum.

Detailtreue

Den Motor hatte der Vorbesitzer bereits detailgetreu nachgebaut. Inzwischen hat Brücker zwar auch einen echten Zedel-Motor gefunden. Doch der Nachbau bleibt an seinem Platz, um das historische Original zu schonen. Dafür musste er eine ganze Reihe weiterer Teile zusammen suchen, bevor das Motorrad endlich fahrfertig war. Dabei halfen ihm zwei baugleiche Maschinen, von denen eine Privatbesitz ist. Die andere steht im Deutschen Zweiradmuseum in Neckarsulm. Ansonsten ist nur noch ein viertes »Neckarsulmer Motorrad« in Norddeutschland bekannt.

»Es ist immer die Herausforderung, es irgendwann mal zu fahren«, beschreibt Brücker, was ihn an dem 120 Jahre alten Motorrad gereizt hat. »Am Anfang war man froh, einmal um den Kirchturm zu kommen«, erinnert er sich an die ersten Erfolgserlebnisse. »Heute sind Touren von 100 Kilometern drin. Möglich macht das nicht zuletzt die rote 07er Oldtimernummer, mit der sich solche historischen Maschinen früher relativ leicht registrieren ließen. Mit gemischten Gefühlen sieht er die Zukunft solcher Maschinen aus der Frühzeit der Motorisierung bei Sammlern. Einerseits gebe es Ausfahrten, bei denen mehr als 30 Teilnehmer mit Motorrädern vor Baujahr 1906 zusammen kämen. »Aber es gibt immer weniger, die sich mit der Schrauberei auseinandersetzen«, hat er beobachtet. »Da fehlt der Sachverstand. Man braucht schon Zugang zu einer Drehbank und Fräsmaschine, um das am Laufen zu halten.«

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