Dreimal Hamburg ist unvergessen

WETZLAR - Einst schrieben sie im Pokal Geschichte. Eine, die alsbald auf die Briefbögen des damaligen Dorfclubs und später natürlich auf die Homepage Einzug halten sollte. Zweifacher DHB-Pokalfinalist. Und als Krönung: 1998 als Zweitligist im Europapokalfinale der Pokalsieger. Mehr geht für ein Team, das seine Heimat in zwei 3000 Einwohner (Dutenhofen) beziehungsweise 2000 Einwohner (Münchholzhausen) zählenden Dörfern hat, eigentlich nicht.

Doch die Historie der ebenso beliebten wie aufreibenden K.o.-Spiele der Grün-Weißen steckt nicht nur voller Erfolge, sondern auch voller Rückschläge. Auf beide Extreme wollen wir angesichts des kommenden Pokal-Wochenendes, das der HSG am Samstag (17 Uhr) eine Reise zu Erstliga-Rückkehrer HBW Balingen/Weilstetten beschert, zurückblicken.

Herausragend

1997/1998: Erst zieht die damals noch unter dem etwas sperrigen Namen HSG Dutenhofen/Münchholzhausen auflaufende Spielgemeinschaft als Zweitligist sensationell ins Hamburger Pokalfinale ein, wo der TBV Lemgo (23:28) allerdings die Endstation bedeutete. "Uns kannte zu diesem Zeitpunkt eigentlich fast niemand. Ich bin von einem Journalisten vor dem Final Four sogar mal gefragt worden, ob Münchholzhausen unser Hauptsponsor sei", schmunzelt Ex-Manager Rainer Dotzauer heute noch, wenn er an die Ereignisse von vor 22 Jahren zurückdenkt. Doch dieser Erfolg verleiht den Wetzlarer Vorstädtern Flügel, die schließlich ein Jahr später unter Coach Horst Spengler nicht nur in die Bundesliga aufsteigen, sondern auch im Europapokal der Pokalsieger für eine Sensation nach der nächsten sorgen. Die Grün-Weißen räumen Steaua Bukarest, Sporting Lissabon, Elektromos Budapest und Poljot Tscheljabinsk aus dem Weg, erst im Finale bedeutet der spanische Top-Club Caja Cantabria Santander (15:30, 24:26) die Endstation.

2001: Abermals erreicht die HSG Wetzlar die Endrunde in der Alsterdorfer Sporthalle, allerdings über Umwege. Denn eigentlich war die Truppe von Trainer Velimir Petkovic nach einem 32:33 im Viertelfinale gegen TuSEM Essen schon ausgeschieden. Doch die Grün-Weißen legten wegen einer nicht geahndeten Zeitstrafe gegen einen Gästeakteur Protest ein, dem nach Studium der Videoaufzeichnungen vom DHB stattgegeben wurde. Das Wiederholungsspiel gewann die HSG schließlich 28:22, weil, so Petkovic, "Rainer Dotzauer gekämpft hat wie ein Löwe und die Gerechtigkeit schließlich die Oberhand behielt." Dass Markus Baur die HSG schließlich mit 13 Treffern beim Halbfinal-28:27 über GWD Minden (mit Talant Dujshebajew) ins Finale warf, war das i-Tüpfelchen der zweiten Wetzlarer Pokal-Sensation, der nur im Endspiel der VfL Bad Schwartau (22:26) im Weg stand.

2009: Relativ mühelos, mit Erfolgen beispielsweise gegen Zweitligist Dessau-Roßlauer HV und TuSEM Essen, qualifizieren sich die Grün-Weißen für das Viertelfinale, in dem Rekord-Pokalsieger THW Kiel beim 31:23 (18:10) jedoch eine zu hohe Hürde darstellt.

2014: Abermals steht ein Großer der Branche der HSG auf dem Weg nach Hamburg im Weg - die SG Flensburg-Handewitt, die das Viertelfinale in Dutenhofen mit 25:19 gewinnt, nachdem die HSG zur Pause ein 12:12 ergattert hatte. Dass die Truppe von Coach Kai Wandschneider zuvor Balingen (33:29) und den Bergischen HC (28:22) ausgeschaltet hatte, interessierte am Ende niemanden mehr.

2018: Zum dritten Mal in ihrer Club-Historie zieht die HSG ins Final Four in Hamburg ein. In der riesigen Barclaycard-Arena im Altonaer Volkspark gelingt ihr im Halbfinale gegen die TSV Hannover-Burgdorf fast nichts. Schon zur Pause und einem 4:15 ist die Partie entschieden, am Ende siegen die "Recken" mit 24:19, müssen sich aber im Endspiel den Rhein-Neckar Löwen geschlagen geben.

Enttäuschend

2011: Natürlich schmerzt es immer, wenn ein Erstligist im Pokal bei einem Zweitligisten die Segel streichen muss. Was der HSG Wetzlar in den letzten 22 Jahren gleich sieben Mal passiert ist. Am peinlichsten war allerdings die Pleite, die die Truppe aus Dutenhofen und Münchholzhausen an jenem September-Abend des Jahres 2010 wie aus heiterem Himmel ereilte. Beim Zweitliga-Schlusslicht TuSpo Obernburg setzte es eine 25:33 (14:13)-Packung, die die HSG bis ins Mark traf. Einer der Sieggaranten der Mainfranken war ausgerechnet Torwart Tim Lübker, Nachfolger des zur HSG abgewanderten Milos Hacko und ganze zwölf Jahre jünger als sein Vorgänger. Der Neuzugang hielt einen Ball nach dem anderen und brachte Timo Salzer, Steffen Fäth, Alois Mraz und Co. zur Verzweiflung. Was HSG-Trainer Michael Roth nicht unter den Tisch kehren wollte. "Schorle" sprach von "großem Respekt" für den Kontrahenten. Und damit gar manchem Übungsleiter aus dem Herzen, dessen Team in den vergangenen beiden Jahrzehnten irgendwann einmal von der HSG Wetzlar aus dem Weg geräumt worden war.