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Neuartiges „Sondertribunal“ für Putin und Russland? Baerbock fordert „Gerechtigkeit für Butscha“

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Von: Florian Naumann, Jens Kiffmeier

Streubomben oder Verschleppungen: Außenministerin Baerbock will in Den Haag die Kriegsverbrechen von Russland anprangern. Doch eine Panne bremst sie aus.

Update vom 16. Januar, 17.00 Uhr: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) will Russlands Kriegsverbrechen vor Gericht bringen – und dafür womöglich sogar auf neue juristische Mittel zurückgreifen. In einer symbolträchtigen Rede vor der Akademie für Völkerrecht in Den Haag sprach Baerbock von einem neuenartigen „Sondertribunal“. Darüber habe sie bereits mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba Gespräche geführt.

Denkbar sei, ein „Sondertribunal für das Aggressionsverbrechen gegen die Ukraine einzurichten“, das „gegen die russische Führung ermitteln und sie vor Gericht stellen kann“, sagte Baerbock. Zudem solle das Römische Statut, auf dem der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag beruht, reformiert werden. „Was wir uns vorstellen können, ist ein Gericht, das seine Jurisdiktion aus dem ukrainischen Strafrecht ableitet“, erklärte Olaf Scholz‘ Außenministerin. Ziel sei „Gerechtigkeit für die Menschen in Butscha, Charkiw oder Mariupol, die Vergewaltigung, Verschleppung, Folter und Mord am eigenen Leibe erfahren haben.“

Dieses könne um „internationale Elemente“ ergänzt werden und außerhalb der Ukraine tagen, „mit finanzieller Unterstützung durch Partner und mit internationalen Staatsanwälten und Richtern, damit Unparteilichkeit und Legitimität gewährleistet sind“. Das Auswärtige Amt schrieb auf Twitter von einer „Ergänzung zum IStGH dort, wo dieser wegen der Lücke derzeit nicht tätig werden kann“; etwa beim „Verbrechen der Aggression“. Deutschland wolle die Ukraine bei der Einrichtung eines solchen Tribunals „international unterstützen“.

Annalena Baerbock am 16. Januar in Den Haag.
Annalena Baerbock am 16. Januar in Den Haag. © IMAGO/Kira Hofmann

Baerbock hat bei Den-Haag-Reise Putin im Blick – kommt aber erst mit Verspätung los

Erstmeldung vom 16. Januar: Den Haag – Verschleppungen, Vergewaltigungen und Massentötungen: Im Ukraine-Krieg werden Russland massive Kriegsverbrechen vorgeworfen. Am Montag (16. Januar 2023) reist die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Den Haag, um im Dunstkreis des Internationalen Strafgerichtshofs eine Grundsatzrede zu halten.

Erwartet werden auch deutliche Worte an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den viele Beobachte gerne vor das Tribunal zitieren würden. Doch der Auftritt der Grünen-Politikerin verzögert sich. Ein defekter Regierungsflieger machte am Morgen Probleme.

Ukraine-Krieg: Baerbock plant in Den Haag eine Grundsatzrede zu Russlands Kriegsverbrechen

Wegen der technischen Panne konnte Annalena Baerbock nur mit Verspätung nach Den Haag aufbrechen. Nach Angaben der Flugbereitschaft der Bundeswehr kam es zu der Verzögerung, weil sich die Treppe am vorderen Eingang zum Luftwaffen-Airbus vom Typ A321-200 zunächst nicht entfernen ließ. Statt wie geplant um 8.45 Uhr starteten die deutsche Außenministerin mit ihrer Delegation schließlich erst gegen 9.30 Uhr in Richtung Niederlande.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Regierungsflieger der Bundesregierung einen Strich durch die Zeitplanung machen. Immer wieder kommt es zu Pannen. Allein zwischen 2016 und 2019 zählte die Flugbereitschaft 14 Ausfälle.

Reist für eine Grundsatzrede zu Russlands Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg nach Den Haag: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Reist für eine Grundsatzrede zu Russlands Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg nach Den Haag: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). © Michael Kappeler/dpa

Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine: Baerbock wirft Putin Einsatz verbotener Streumunition vor

Eigentlich will Baerbock in Den Haag Vertreter des Internationalen Strafgerichtshofs treffen. Am Nachmittag soll die Ministerin dann eine Grundsatzrede an der Haager Akademie für Völkerrecht halten. Bei der Rede sollte es um Möglichkeiten gehen, die russische Führungsriege für den Angriffskrieg gegen die Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen.

Baerbock beschuldigt die russischen Streitkräfte seit langem, in ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine Streubomben gegen friedliche Zivilisten einzusetzen und tausende ukrainische Kinder verschleppt zu haben. Dieses völkerrechtswidrige und grausame Wüten sei durch nichts zu rechtfertigen, sagte die Grünen-Politikerin vorab laut dem Deutschlandfunk. Insbesondere Putin trete die elementarsten Grundsätze des internationalen Rechts mit Füßen.

Butscha oder Irpin: Vereinte Nationen sammeln Beweise – „Sondertribunal“ denkbar?

Seit Beginn des Ukraine-Krieges tauchen immer wieder Berichte über massive Verletzungen des internationalen Völkerrechts auf. Vor allem in Butscha und Irpin wurden zahlreiche Kriegsverbrechen nach Abzug der russischen Truppen dokumentiert. Die Vereinten Nationen (UN) sind in dem Kriegsgebiet mit Ermittlern unterwegs und sammeln Beweise für die Anschuldigungen, die zumeist von der ukrainischen Regierung erhoben werden. Den Angaben zufolge geht die Kommission bereits mehr als 15.000 Hinweisen nach. Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht.

Vor dem Baerbock-Besuch in Den Haag sprach sich auch der deutsche Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) für eine entschlossenere juristische Verfolgung der Verantwortlichen im Ukraine-Krieg aus. „Wenn es das schnellste und zielführendste Mittel ist, halte ich ein Sondertribunal für gut denkbar“, teilte Buschmann am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa mit. Der russische Angriffskrieg sei klar völkerrechtswidrig. „Wer diesen blutigen Krieg angezettelt hat, sollte sich dafür verantworten müssen. Um das zu erreichen, müssen wir auch neue Wege denken.“

Putin vor Strafgerichtshof? Justizminister fordert ein Sondertribunal mit internationalen Richtern

Für ein Sondertribunal seien mehrere Optionen denkbar, sagte Buschmann. Entweder könne es sich „um ein ukrainisches Gericht, ein internationales Tribunal auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrags unter Beteiligung der Ukraine handeln“, schlug er vor. „Oder es gibt eine Mischform, ein sogenanntes hybrides Gericht, bei dem ein ukrainisches Gesetz einen Sondergerichtshof mit Beteiligung internationaler Richter schafft.“ Wichtig sei, dass ein solches Sondertribunal mit internationalen Richtern besetzt werde, „um die Unparteilichkeit für das Strafverfahren zu garantieren“. (jkf/dpa)

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