Mutige Außenpolitik: Litauen nimmt es mit den Schurken auf - und zahlt dafür einen hohen Preis

Litauen unterstützt die belarussische Opposition und wies auch China in die Schranken. Ein Blick auf die mutige Außenpolitik des Landes.
- Litauen hat mit der Aufnahme der belarussischen Oppositionsführerin den Konflikt mit dem Regime Lukaschenkos und mit Moskau riskiert.
- Seit Jahren kritisiert Litauen das Regime in Peking und bietet Taiwan die Möglichkeit eine Vertretung in Vilnius zu eröffnen.
- Diese Vertretung wird womöglich die Bezeichnung „Taiwan” tragen dürften, was China provoziert. Doch das baltische Land könnte auch profitieren.
Warschau/Vilnius - Litauen* traut sich was in der Außenpolitik. Leider zahlt der 2,8 Millionen Einwohner zählende Staat dafür einen hohen Preis.
Die europafreundliche und liberale litauische Regierung schreckte nicht davor zurück, der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja Schutz zu gewähren. Die Regierung ermöglichte ihr die Einrichtung eines eigenen Büros, wodurch Litauen zur neuen Heimat der Oppositionellen wurde. Seitdem findet die politische Arbeit der belarussischen Aktivisten mehrheitlich von Vilnius aus statt. Die Reaktionen aus Minsk und Moskau ließen nicht lange auf sich warten. Litauen war der erste Staat, der zum Opfer des zynischen Versuchs wurde, ihn durch Migration zu destabilisieren. Über die wenig geschützte östliche Grenze des Landes wurden im Sommer über 4000 Menschen vornehmlich aus dem Irak von dem Lukaschenkoregime in die EU geschleust.
Litauen ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen und hat es mittlerweile geschafft die Grenze zu sichern und so weitere unkontrollierte Wanderungsbewegungen besser zu unterbinden.
Litauens Außenpolitik: Nun auch gegen China?
In seinem aktuellen Report zu den litauisch-chinesischen Beziehungen macht das Institute for Central Europe (IES) deutlich, dass Litauen 2018 erstmals chinesische Spionage als Bedrohung der nationalen Sicherheit definierte und skeptisch gegenüber der chinesischen 5G-Technologie war. Das litauische Sicherheitsministerium warnte vor einer wirtschaftlichen und politischen Einflussnahme Chinas* in Litauen und in den anderen Nato- und EU-Staaten.
Im Jahr 2019 gehörte Litauen zu den Staaten, die die chinesische Politik in Hongkong* laut kritisierten. Im Mai dieses Jahres verließ Litauen das Format 17+1. 17+1 ist eine Initiative von mittlerweile 16 ost- und südosteuropäischen Staaten und China mit dem Ziel gemeinsame Handels- und Investitionsbeziehungen zu vertiefen. Nach Einschätzung des Institute for Central Europe hatte dieser Austritt auch ökonomische Gründe, denn man erhoffte sich von China eine stärkere Öffnung für Waren und Dienstleistungen aus Litauen, was jedoch nicht eingetreten ist. Nach dem Ausscheiden Litauens aus 17+1 wurde angenommen, dass auch Estland und Lettland folgen würden. Aber das ist bis jetzt nicht passiert.
Vor fast genau 30 Jahren haben China und Litauen die diplomatischen Beziehungen aufgenommen. Doch jetzt kommt es zu ernsten Auseinandersetzungen zwischen dem kleinen EU-Staat und dem Reich der Mitte. Litauen hat nämlich angekündigt, diplomatische Beziehungen mit Taiwan, das China als Erzfeind und abtrünnige Provinz betrachtet, aufzunehmen und eine Vertretung Taiwans in Vilnius zu ermöglichen. Für Taiwan ist die Offenheit Litauens ein Segen. Das Land hat es schwer, auch in der Europäischen Union, wo lediglich 23 sogenannte Taipeh-Vertretungen existieren, die aber nicht den Namen Taiwan tragen dürfen. Auch die nächstgelegene Vertretung in Warschau trägt seit ihrer Entstehung 1992 diese Bezeichnung. In Vilnius soll das aber anders werden - der Terminus „Taiwan“ wird ernsthaft in Erwägung gezogen.
China hat daraufhin sogar seinen Botschafter aus Vilnius abgezogen und überzieht das baltische Land seitdem mit Propaganda und Wirtschaftssanktionen. „Wir fordern Litauen nachdrücklich auf, das Ein-China-Prinzip aufrechtzuerhalten und keine falschen Signale an Taiwans Unabhängigkeitskräfte zu senden”, hieß es dazu aus Peking.
Anders hingegen reagierten die USA. „Allen Ländern sollte es freistehen, engere Beziehungen zu knüpfen und die Zusammenarbeit mit Taiwan, einer führenden Demokratie, einer bedeutenden Wirtschaft und einer Kraft für das Gute in der Welt, zu stärken”, teilte die US-amerikanische Vertretung in Taiwan mit.
Litauen zahlt einen hohen Preis - oder doch nicht?
Belarus und Russland haben bereits angedeutet, dass Litauen für seine unabhängige Politik einen hohen Preis bezahlen wird. Das gilt ökonomisch vor allem für litauische Häfen, die deutlich weniger belarussische Waren bzw. Exportgüter aus Belarus umschlagen. Teilweise handelt es sich dabei um Folgen der Sanktionen, die der Westen verhängt hat, aber der größte Anteil geht darauf zurück, dass Belarus seinen Warenverkehr nun über russische statt litauische Häfen abwickeln lässt.
China droht mit wirtschaftlichen Folgen und kündigte an, den Güterschienentransport nicht mehr über Litauen fahren zu lassen. Doch die Folgen dürften in diesem Fall weniger gravierend sein. Nach Litauen gelangen gerade einmal 5000 TEU Waren aus China. Dies ist eine kaum nennenswerte Menge. Gleichzeitig fahren aber über Litauen Güterzüge aus China, die für den russischen Ostseehafen in Kaliningrad bestimmt sind. China würde also womöglich Probleme mit Russland bekommen, wenn der russische Ostseehafen unter den chinesisch-litauischen Konflikten leiden sollte.
Litauen: „Werteorientiertes Politikmodell“ nach skandinavischem Beispiel?
Statt China könnte nun Taiwan die wirtschaftlichen Beziehungen mit Litauen ausbauen. In den litauischen Medien wurde bereits Investitionssummen von 2,5 bis 3 Milliarden Euro ins Spiel gebracht. Taiwan könnte in Litauen die aktuell stark nachgefragten Halbleiter herstellen lassen, heißt es in der litauischen Presse.
„Litauen wird diese Politik weiter verfolgen, denn einerseits hat das Land eine liberale Regierung, sodass allgemein Einigkeit über ein politisches Modell besteht, das auf die Verteidigung von Werten, Menschenrechten und Demokratie ausgerichtet ist und zweitens aus Sicherheitsgründen, die wichtiger sind als die wirtschaftlichen Folgen”, sagt die Analystin Aleksandra Kuczyńska-Zonik, die am Institute for Central Europe (IES) für die baltischen Länder zuständig ist.
Diese Einschätzung teilt auch Andrzej Pukszto vom politikwissenschaftlichen Institut der Vytautas-Magnus-Universität in Kaunas. Der Politologe verweist aber auch auf die enge Bindung an Skandinavien. Litauen hat sich für ein werteorientiertes Politikmodell nach dem Beispiel der skandinavischen Länder entschieden. *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN-MEDIA