+++ 15.45 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz hat zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel noch einmal dafür geworben, die Ukraine zum EU-Beitrittskandidaten zu machen. Der SPD-Politiker sprach am Donnerstag von einem „historischen“ Treffen der Staats- und Regierungschefs, mahnte aber auch Reformen der Europäischen Union an, um die Aufnahme neuer Mitglieder zu ermöglichen. Die EU müsse sich „erweiterungsfähig“ machen. Dazu gehöre auch, das Prinzip der Einstimmigkeit für einige Entscheidungen aufzuheben.
+++ 13.56 Uhr: Kurz vor dem EU-Gipfel hat das Europaparlament die Anerkennung der Ukraine und des Nachbarlands Moldau als offizielle EU-Beitrittskandidaten gefordert. Die große Mehrheit der Abgeordneten rief die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer am Donnerstag in einer nicht bindenden Entschließung auf, bei ihrem Gipfel in Brüssel „der Ukraine und der Republik Moldau unverzüglich den Status eines Bewerberlandes zu gewähren“.
Auch Georgien solle dieser Status zugestanden werden, sobald die Regierung bestimmte, von der Europäischen Kommission genannte Kriterien erfülle. Das Europäische Parlament betonte zugleich, dass „es kein beschleunigtes Verfahren für die Mitgliedschaft in der EU gibt“ und dass ein Beitritt „nach wie vor“ ein Prozess sei, der von der „Umsetzung von Reformen“ abhänge.
+++ 12.28 Uhr: Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten beraten in Brüssel nicht nur über die Ukraine, sondern auch mit den Westbalkanstaaten über eine weitere Annäherung. EU-Ratspräsident Charles Michel warb am Donnerstag dafür, den Prozess mit dem Westbalkan nach jahrelanger Blockade „wieder in Schwung zu bringen“. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte sich für eine klare EU-Perspektive für Nordmazedonien und die fünf weiteren Länder stark. Es sei von „allergrößter Bedeutung, dass das jetzt ein glaubwürdiges Versprechen wird“, sagte Scholz.
„Deutschland wird die Aktivitäten der westlichen Balkanstaaten unterstützen bei ihrem Weg in die Europäische Union“, sagte Scholz in Brüssel. „Wir fühlen uns verantwortlich dafür, dass diese Länder Erfolg haben mit ihren Bemühungen.“ Ihnen sei schon vor 2003, also vor fast 20 Jahren, eine EU-Perspektive in Aussicht gestellt worden, betonte der Kanzler.
+++ 10.15 Uhr: EU-Ratschef Charles Michel geht davon aus, dass der EU-Gipfel in Brüssel die Ukraine und Moldau zu Kandidaten für den EU-Beitritt machen wird. „Ich bin zuversichtlich, dass wir der Ukraine und der Republik Moldau heute den Kandidatenstatus verleihen werden“, sagte er am Donnerstag vor einem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs. Der Status als EU-Beitrittskandidat ist Voraussetzung dafür, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden können.
+++ 09.33 Uhr: Am heutigen Donnerstag (23. Juni) wird die EU darüber entscheiden, ob die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten erhält. Auch wenn der EU-Gipfel einstimmig den Kandidatenstatus gewährt: Dieser Schritt hat vor allem Symbolwirkung. Die wichtigere Hürde ist die spätere Aufnahme der Beitrittsverhandlungen, wie EU-Diplomaten betonen. Die Anwärter müssen nachweisen, dass sie das EU-Gemeinschaftsrecht umsetzen können.
Der vielschrittige Prozess kann Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, in Anspruch nehmen. Im Entwurf der Gipfelerklärung wird kein Zeitrahmen genannt. Dort heißt es, die Mitgliedstaaten würden über „weitere Schritte entscheiden, sobald alle Bedingungen erfüllt sind“, die die Kommission nennt. „Ob die Ukraine jemals beitritt, weiß niemand“, sagt ein erfahrener EU-Diplomat. Als Mindestvoraussetzung gilt ein Waffenstillstand mit Russland.
Update vom 23.06.2022, 05.00 Uhr: Die Europäische Union entscheidet am heutigen Donnerstag (23. Juni) bei einem Gipfel-Treffen in Brüssel darüber, ob die von Russland angegriffene Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten bekommt. Vor den Beratungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seinen Kollegen zeichnete sich breite Unterstützung für die entsprechende Empfehlung der EU-Kommission ab. Eine Entscheidung muss jedoch einstimmig von allen 27 Staaten getroffen werden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte kurz vor Beginn des zweitägigen Treffens, den Kandidatenstatus für die Ukraine zu unterstützen. „Es ist nun am Europäischen Rat zu entscheiden und der historischen Verantwortung gerecht zu werden, vor der wir stehen“, sagte sie. Das Verfahren zur Aufnahme von Ländern wie der Ukraine gründe auf Leistung. „Aber wie wir auf ihre Leidenschaft und ihren Fortschritt reagieren, ist unsere Sache.“
Neben der Ukraine warten auch Georgien und Moldau auf eine EU-Beitrittsperspektive. Nach der Empfehlung der EU-Kommission für den Gipfel soll Moldau ebenfalls den Kandidatenstatus bekommen. Georgien soll zunächst Reformauflagen erfüllen.
+++ 21.45 Uhr: Immer mehr Stimmen fordern die EU-Mitgliedsstaaten dazu auf, der Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten anzuerkennen. So plädierte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch (22. Juni) im Europaparlament für diese Maßnahme: „Es ist nun am Europäischen Rat zu entscheiden und der historischen Verantwortung gerecht zu werden, vor der wir stehen“. Die Kommission um von der Leyen hatte bereits am Freitag (17. Juni) empfohlen, die Ukraine trotz des Krieges mit Russland als Kandidat aufzunehmen.
Auch die Ministerpräsidentin von Estland, Kaja Kallas, hat sich nachdrücklich dafür starkgemacht, das kriegsgebeutelte Land zum Kandidaten für einen EU-Beitritt zu erklären. „Wir müssen der Ukraine Hoffnung geben“, sagte sie ebenfalls am Mittwoch. Am Donnerstag (23. Juni) entscheiden die Staats- und Regierungschefs auf einem EU-Gipfel über die Sachlage. Wie zuvor schon Repräsentanten aus Luxemburg und Frankreich äußerte sich auch Kallas zuversichtlich, dass die notwendige Einstimmigkeit zustande kommen wird.
+++ 19.10 Uhr: Die Ukraine will noch in diesem Jahr alle Bedingungen erfüllen, die für eine Aufnahme in die EU notwendig sind. Dies teilte die stellvertretende Premierministerin für europäische Integration mit, wie das Nachrichtenportal Kiev Independent meldet. Die Ankündigung kommt noch bevor der EU-Rat eine Entscheidung über den Kandidatenstatus der Ukraine getätigt hat (siehe Erstmeldung). Als Hürden, die dem sich im Krieg befindlichen Land im Weg stehen, gelten vor allem mangelnde Rechtsstaatlichkeit und Korruption.
Erstmeldung vom 22. Juni, 16.43 Uhr: Brüssel – Auf dem bevorstehenden EU-Gipfeltreffen wird es ernst für die Ukraine. Am Donnerstag (23. Juni) und Freitag kommen die 27 Staats- und Regierungschefs zusammen, um über die Beitrittsperspektive des kriegsgebeutelten Landes zu entscheiden. Auch die Perspektiven der ehemaligen Sowjetnationen Moldau und Georgien stehen zur Diskussion. Wie üblich im EU-Rat müssen die Mitglieder einstimmig abstimmen, um den Ländern den Kandidatenstatus anzuerkennen. Dieses Prinzip hat in der Vergangenheit oft für Probleme gesorgt.
Erst am Freitag (17. Juni) hatte die EU-Kommission ihre Empfehlung dafür ausgesprochen, der Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten zu erteilen. Nur wenige Tage nachdem Russland am 24. Februar in das Nachbarland einmarschiert war, hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Beitritt in das europäische Bündnis beantragt. Der dadurch angestoßene Prozess in der EU ist ein absoluter Sonderfall: Nicht nur, dass die Kommission im Eiltempo zu ihrer Entscheidung gekommen ist, auch die bloße Überlegung, ein Land im Kriegszustand aufzunehmen, stand bisher nicht zur Debatte. Trotz der Sonderbehandlung stehen der Ukraine aber noch einige Hürden bevor.
Das Problem ist dabei weniger, anders als sonst, die Eigensinnigkeit der Mitgliedsstaaten. Im Vorlauf auf den EU-Gipfel haben mehrere Regierungschefs signalisiert, dass sie mit einer einstimmigen Entscheidung rechnen. So sagte der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn am Dienstag (21. Juni), dass es kein einziges Land gebe, dass Probleme mache. Dennoch könnte es bei der Aussprache auf dem EU-Gipfel am Ende zu Gefeilsche kommen. So ist beispielsweise noch offen, ob Staaten wie Österreich, Slowenien und Kroatien ihre Zustimmung zum EU-Beitrittskandidatenstatus für die Ukraine an Fortschritte bei den Bemühungen um eine EU-Erweiterung auf den Westbalkan knüpfen. Serbien, Albanien und Co. verdienen dieselbe „Sonderbehandlung wie die Ukraine“, sagte Sloweniens Premier Robert Golob erst vor Kurzem. Als Signal, dass der Westbalkan nicht in Vergessenheit geraten ist, ist vor dem EU-Gipfel ein Spitzentreffen mit den entsprechenden Staaten angesetzt.
Die eigentlichen Schwierigkeiten sollten erst nach dem EU-Gipfel auf Kiew zukommen. Die erwartete Zusage an die Ukraine bedeutet nämlich zunächst wenig, wobei ein tatsächlicher Beitritt an zahlreiche Bedingungen geknüpft ist. Besonders in den Bereichen der Rechtsstaatlichkeit und dem Kampf gegen Korruption habe die Ukraine Reformbedarf, wie EU-Ratspräsident Charles Michel in einer Videobotschaft vor dem Gipfel sagte. Das Beispiel der Westbalkan-Staaten zeigt, wie konsequenzlos der Kandidatenstatus sein kann. (vbu mit dpa/AFP)