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Amnesty International bedauert nach Bericht „Schmerz“ in Kiew – steht aber weiterhin dazu

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Von: Andreas Apetz

Amnesty International
Das Logo der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ist in Berlin abgebildet. © Sebastian Kahnert/dpa/Symbolbild

Amnesty International verteidigt den Bericht über die ukrainische Kriegsführung - bedauert aber die Auswirkungen in der Ukraine.

Update vom Montag, 8. August, 11.15 Uhr: Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat ihren umstrittenen Bericht zur Kriegsführung der ukrainischen Armee verteidigt und zugleich ihr Bedauern über dessen Auswirkungen erklärt. „Amnesty International bedauert tief den Schmerz und Ärger, den unsere Pressemeldung über die Kampftaktiken des ukrainischen Militärs ausgelöst hat“, heißt es in einem der dpa vorliegenden Statement am Sonntag. Amnesty hält jedoch an den wichtigsten Erkenntnissen des Berichts fest.

„Obwohl wir voll zu unseren Erkenntnissen stehen, bedauern wir den entstandenen Schmerz und wollen ein paar entscheidende Punkte klarstellen“, teilte Amnesty nun mit. So habe die Organisation an 19 verschiedenen Orten ukrainische Verstöße gegen das Kriegsrecht festgestellt. Dies rechtfertige aber nicht die russischen Kriegsverbrechen. „Russland ist allein für die Übergriffe verantwortlich, die es gegenüber ukrainischen Zivilisten begangen hat“, hieß es weiter. Amnesty habe diese Verbrechen in den vergangenen Monaten mehrfach thematisiert. 

Amnesty International-Autorin spricht beim Thema Ukraine von „Selbstzensur“

Update vom Sonntag, 7. August, 09.15 Uhr: Der Schlagabtausch zwischen Amnesty International und der ukrainischen Regierung geht weiter. Auf den Bericht der Menschenrechtsorganisation antwortete die stellvertretende Verteidigungsministerin der Ukraine, Hanna Maliar, dass die Ukraine „regelmäßig Evakuierungen von Zivilisten aus Konfliktgebieten durchführt“. Allerdings würden tausende Menschen nicht aus den Städten entlang der Front fliehen wollen.

Amnesty International wirft dem ukrainischen Militär vor, abseits der Frontlinie Unterschlupf bei der Zivilbevölkerung gesucht zuhaben. Diese Verstecke seien ins Fadenkreuz russischer Raketenangriffe geraten, wodurch mehrere Zivilistinnen und Zivilisten getötet worden seien.

Amnesty International spricht von „Selbstzensur“ – und stellt Forderung

Donatella Rovera, die Autorin des Berichts, erklärte, dass solche Situationen auf allen Seiten eines Krieges entstehen und fordert die Ukraine auf, sich so schnell wie möglich um dieses Problem zu kümmern. Die vehemente Verteidigung der ukrainischen Regierung in dieser Angelegenheit bezeichnete die Autorin als Selbstzensur. „Ich denke, das Ausmaß der Selbstzensur in dieser Angelegenheit ist ziemlich außergewöhnlich“, so Rovera.

Das polnische Büro von Amnesty International zeigt sich solidarisch mit seinem Nachbarland und verurteilt die Kriegsverbrechen Russlands. Die polnische Sektion betont, dass sich das ukrainische Militär „gegen einen grausamen und ungerechten Angriff verteidigt und unter ungleichen Bedingungen kämpft, die vom Angreifer auferlegt wurden“.

Amnesty International in der Kritik: Bericht soll „russisches Propagandainstrument“ sein

Erstmeldung vom Samstag, 6. August, 13.02 Uhr: Kiew – Nach der Veröffentlichung eines kritischen Berichts über die ukrainische Armee ist die Leiterin des Ukraine-Büros von Amnesty International zurückgetreten. Ihren Rücktritt gab Oksana Pokaltschuk am späten Freitagnachmittag (5. August) im Internet bekannt. Sie zeigte sich entsetzt über die Anschuldigungen der Menschenrechtsorganisation und wirft dieser nun russische Propaganda vor.

Amnesty International: Leiterin des Ukraine-Büros zurückgetreten

In ihrem Bericht warf Amnesty International den ukrainischen Streitkräften den Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht vor. Dabei ging es um die Errichtung von Stützpunkten in der Nähe von Schulen, Krankenhäusern und Wohngebieten. „Dass sie sich in einer Verteidigungsposition befinden, entbindet das ukrainische Militär nicht von der Einhaltung des humanitären Völkerrechts“, erklärte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International. Die Pressemitteilung löste in Kiew Empörung aus. Präsident Wolodymyr Selenskyj warf der Organisation vor, sie habe damit „Opfer und Angreifer gewissermaßen auf eine Stufe gestellt“.

Die Leiterin der ukrainischen Sektion der Menschenrechtsorganisation sagte, sie habe versucht, die Leitungsspitze von Amnesty International vor der Einseitigkeit des Berichts zu warnen. Sie sei jedoch ignoriert worden. Oksana Pokaltschuk sei vor der Veröffentlichung kontaktiert worden, habe aber nicht rechtzeitig bis zum 4. August mit einer Stellungnahme zu den Erkenntnissen des Berichts geantwortet, verteidigt sich Amnesty.

Ukraine-Krieg: Amnesty International steht „voll und ganz“ hinter den Untersuchungen

Pokaltschuk erklärte, es sei nicht ansatzweise genug Zeit gewesen, um auf den Bericht zu reagieren. Nun sei daraus eine Erklärung geworden, die zu einem „russischen Propagandainstrument“ wurde und wie die „Unterstützung der russischen Narrative“ klingt. „Wenn Sie nicht in einem Land leben, in das Besatzer einfallen, die es in Stücke reißen, verstehen Sie wahrscheinlich nicht, wie es ist, eine Armee von Verteidigern zu verurteilen“, erklärte Pokaltschuk. „Und es gibt keine Worte in irgendeiner Sprache, die dies jemandem vermitteln können, der diesen Schmerz nicht erlebt hat.“

Trotz aller Kritik hält Amnesty International weiterhin an dem Bericht fest. Generalsekretärin Agnès Callamard erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, man stehe „voll und ganz“ zu den Untersuchungen und ihren Ergebnissen. Die Recherchen beruhen auf Beweisen, die im Rahmen umfangreicher Ermittlungen gesammelt worden seien. (aa/ktho mit dpa/AFP)

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