Bürgerbefragung zum Forschungsprojekt "Dorf und Du wird ausgewertet
Für Bernd-Uwe Domes und Klaus Karger ist das Forschungsprojekt "Dorf und Du - Kommunen innovativ" eine Win-win-Situation für die Modellkommunen Butzbach, Nidda, Ortenberg einerseits und das Institut für Geografie der Uni Gießen andererseits. Die Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung haben das Projekt mitinitiiert und sind assoziierte Partner. Jetzt liegen erste Ergebnisse einer Bürgerbefragung vor.
Von wil
Der Ortenberger Stadtteil Selters. Auch hier waren die Einwohner im Rahmen des Projekts "Dorf und Du" befragt worden, was sie sich praktisch und konkret wünschen und wie sie die Ortsinnenentwicklung beurteilen. Foto: Koch/Archiv Stadt Ortenberg
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
BUTZBACH/NIDDA/ORTENBERG - Für Bernd-Uwe Domes und Klaus Karger ist das Forschungsprojekt "Dorf und Du - Kommunen innovativ" eine Win-win-Situation für die Modellkommunen Butzbach, Nidda, Ortenberg einerseits und das Institut für Geografie der Uni Gießen andererseits. Die Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Wetterau haben das Projekt mitinitiiert, unterstützen es und sind seit Beginn (Sommer 2017) assoziierte Partner. Jetzt liegen erste Ergebnisse einer Bürgerbefragung vor, die Aufschluss darüber geben, wie die Einwohner in sechs ausgewählten Ortsteilen die Innenentwicklung ihrer Dörfer beurteilen.
"Das Vorhaben (ist) praktisch und konkret": So steht es auf dem Flyer "Dorf und Du - Kommunen innovativ". Das Projekt zur "Regionalstrategie Ortsinnenentwicklung" wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Das Ziel: die Attraktivität der Dörfer und Stadtteile zu erhalten beziehungsweise zu verbessern. Und damit auch die Zukunft der Region als attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum zu sichern. Bernd-Uwe Domes: "In Frankfurt ist der Druck auf den Wohnungsmarkt stark gewachsen. Mieten und Immobilienpreise steigen, das Angebot an bezahlbarem Wohnraum wird immer knapper. Unsere Region gewinnt gerade für Familien als Gegenentwurf zur Metropole Frankfurt wieder an Attraktivität." Was sich auch in den jüngsten Konjunkturdaten zur Einwohner- und Beschäftigtenentwicklung widerspiegele (der Kreis-Anzeiger berichtete). Domes: "Die große Frage ist, wie wollen wir auf dem Land zukünftig leben und welche Vorstellung hat unsere Region von sich selbst?"
Und was wünschen die Einwohner praktisch und konkret vor Ort? Um dies herauszufinden, haben im September 2017 acht Studierende des Instituts für Geografie (Professur für Raumplanung und Stadtgeografie) der Uni-Gießen rund 1000 Haushalte in den Butzbacher Stadtteilen Fauerbach und Hoch-Weisel, den Niddaer Stadtteilen Ober-Schmitten und Ulfa sowie den Ortenberger Stadtteilen Gelnhaar und Selters mit Konradsdorf zu einer Bürgerbefragung aufgesucht.
INFOS IN BAD SALZHAUSEN
Das Rhein-Main-Gebiet platzt aus allen Nähten. Das biete dem Wetteraukreis eine große Chance, birge aber auch Risiken, glaubt die Wirtschaftsförderung. Wie die Kommunen von der Nähe zu Frankfurt profitieren können und zugleich lebens- und liebenswert bleiben, darum geht es am Mittwoch, 21. März, ab 19 Uhr im Kursaal des Kurhaushotels in Bad Salzhausen. "Wachstumsregion Wetteraukreis - Wohnbauliche Entwicklung zukunftsfähig gestalten" ist der Infoabend überschrieben, zu dem die Wirtschaftsförderung Wetterau gemeinsam mit der Stadt Nidda, dem Verein Oberhessen, dem Verein Wirtschaft.Regionalentwicklung.Wetterau und dem IHK-Regionalausschuss Wetterau einlädt. Zunächst werden Bernd-Uwe Domes und Klaus Karger, die Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Wetterau GmbH, Herausforderungen und Chancen für Städte und Dörfer sowie aktuelle Strukturdaten zur Entwicklung im Wetteraukreis vorstellen.
Wie die Kommunen etwa bei der Mobilisierung von bezahlbarem Wohnraum unterstützt werden können, wird Gregor Voss vom Frankfurter Bauprojektentwickler NH ProjektStadt darle-gen: Er informiert über das Förderprogramm "Bauland-Offensive Hessen". Denn auch das Land hat die Baulandentwicklung als zentrale Aufgabe definiert: Bis 2019 stellt Hessen den Kommunen 1,2 Milliarden Euro für den Wohnungsbau zur Verfügung. Ein weiteres Instrument für eine aktive und zukunftsweisende Wohnbaupolitik soll mit der "Regional-strategie Ortsinnenentwicklung" aus den Ergebnissen des Forschungsprojektes "Dorf und Du" für den gesamten ländlichen Raum entstehen. Darüber werden Otfried Herling von der Stadt Butzbach und Dr. Andrea Soboth vom Institut für Regionalmanagement Gießen sprechen.
Die "Gretchenfrage" ist: Wie bleiben Städte und Dörfer attraktiv für Bürgerinnen, Bürger und Investoren? Die Wirtschaftsförderung Wetterau will an diesem Abend zu-sammen mit ihren Veranstaltungspartnern aufzeigen, welche Aufgabenanforderungen heute für die Kommunen bestehen und wie eine nachhaltige Stadtentwicklung gelingen kann.
Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldung bei der Wetterauer Wirtschaftsförderung unter 06031/77269-0 oder per E-Mail an anmeldung@wfg-wetterau.de. (red)
Die Orte waren von den Bürgermeistern Michael Merle (Butzbach), Hans-Peter Seum (Nidda) und Ulrike Pfeiffer-Pantring (Ortenberg) ausgewählt worden. 40 Punkte umfasste der von Melanie Geier, Doktorandin des wissenschaftlichen Projektleiters Professor Christian Diller, erstellte Fragebogen. Mit dem Rücklauf von 409 Antwortbögen (anonym) ist Geier "sehr zufrieden". Für eine "statistische Verwertbarkeit wären 290 ausreichend gewesen", so die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Zurzeit ist die Auswertung der Daten aus den sechs Ortsteilen "mit Handlungsbedarf" in vollem Gange.
Befassten sich die Fragen 1 bis 17 mit allgemeinen Angaben zu den Gebäuden (Anzahl, Bauzustand, Denkmalschutz) und den Bewohnern (Anzahl, Alter) standen in den weiteren Fragen Beurteilungen zu den Themen Ortsdurchfahrt (Hauptverkehrsstraße einschließlich Bebauung), Wahrnehmung und Beurteilung von Leerständen im Fokus. Nicht zuletzt: die Bereitschaft, an einer (Neu-)Gestaltung des Ortsteils mitzuwirken beziehungsweise Erwartungen der Einwohner an die zukünftige Entwicklung ihres Heimatortes. Bei den persönlichen Einschätzungen "Ich finde..." konnten die Befragten ihre Kreuze auf einer sechsstelligen Bewertungsskala von "trifft voll und ganz zu" über "trifft eher zu" bis zu "trifft überhaupt nicht zu" machen.
So traf die Aussage: "Ich finde, das Erscheinungsbild des Ortes wird durch die Ortsdurchfahrt geprägt" für 193 Personen "zu", für weitere 82 Befragte sogar "voll und ganz". Bei der Einschätzung der Attraktivität der Ortsdurchfahrt waren die Meinungen geteilter: 16,9 Prozent stimmten zu, dass diese attraktiv sei, 16,1 Prozent fanden allerdings, dass dies "überhaupt nicht zutrifft". 21,3 Prozent der Befragten stimmten der Einschätzung "Ich finde, dass es bauliche Missstände in der Ortsdurchfahrt (Straßenraum und/oder Gebäude) gibt", stimmten 21,3 Prozent "voll und ganz" sowie weitere 36,4 Prozent "zu" und noch einmal 15,6 Prozent "eher zu". Schlüssig aus diesem Votum das Ergebnis der nächsten Einschätzung, ob die Ortsdurchfahrt optisch aufgewertet werden könnte: Über 80 Prozent der Antwortenden befürworteten dies.
Sechs Einschätzungen umfasste der Themenkomplex Leerstände. Wobei 158 Befragte die Aussage: "Mir ist bewusst, dass es im Ort Leerstände gibt" bei "trifft voll und ganz" bis "trifft eher zu" ankreuzten, 216 allerdings bei der Wahrnehmung "tritt eher nicht" bis "trifft weniger bis überhaupt nicht zu" ihr Kreuzchen machten. Dass Leerstände das Erscheinungsbild des Ortes negativ beeinflussen, sah eine Mehrheit von circa 70 Prozent der Befragten. Eine negative Auswirkung leer stehender Gebäude auf den Wert des persönlichen Eigentums befürchteten 140 Befragte. Ein klares positives Votum gab es in den 409 Haushalten auf die Formulierung: "Ich finde, jeder ist für sein Eigentum (Grundstück/Gebäude) selbst und alleine verantwortlich". Ihr schlossen sich 187 Befragte "voll und ganz", 174 mit "trifft zu" und 37 mit "trifft eher zu" an.
In die Zukunft gerichtet war der letzte Themenkomplex, in dem die Mitwirkungsbereitschaft beispielsweise bei Verschönerungs- und Sanierungsmaßnahmen eruiert wurde. Dieser stehen mehr als 50 Prozent der Haushalte positiv gegenüber. Der Aussage "Ich würde lieber zunächst beobachten und lasse anderen den Vortritt" schlossen sich 33 Befragte mit "trifft voll und ganz zu" an. Die am eindeutigsten befürwortete Aussage: "Ich finde, der Staat müsste mehr Fördermittel bereitstellen, um Probleme in den Orten zu beseitigen": 48,7 Prozent "trifft voll und ganz zu", 33,7 Prozent "trifft zu", 9,8 Prozent "trifft eher zu".
Für Professor Christian Diller zeigen die bisherigen Ergebnisse, dass die Menschen ein Bewusstsein entwickeln, "dass man die alten Ortskerne nicht mehr den Bach runtergehen lassen kann". So manches Gebäude - gerade alte Hofreiten - stünde leer und müsste oder könnte neu genutzt werden. "In dem Zustand, in dem viele von ihnen sind, entsprechen sie aber nicht mehr den Wünschen von Immobilienkäufern" - zumal, wenn sie unter Denkmalschutz stünden, aber in schlechtem Zustand seien. Die Auswertung, ist Diller überzeugt, könne durchaus für die Bürgermeister "die ein oder andere Überraschung bereithalten". Wobei, so der Wissenschaftler: "Vergleiche für Politiker immer interessant sind." Die Einzelauswertung für die jeweils zwei von den Bürgermeistern benannten Ortsteile "mit Handlungsbedarf" erfolgt im nächsten Schritt.
Ob leer stehende Häuser oder brachliegende Grundstücke in den Ortsmitten, auf denen verdichtetes Bauen möglich wäre: Sie befinden sich meist in Privateigentum. Und im kommunalen Planungsrecht "geht ohne Eigentümer nix", so Diller. So hofft der Wissenschaftler, dass die Ergebnisse sowohl der Befragung wie des Projekts, dazu führen, "dass die Haus- und Grundstücksbesitzer ein stärkeres Bewusstsein entwickeln", welche Bedeutung sie für die Zukunft der Innenentwicklung ihrer Städte und Dörfer sie haben. Mit dem vom Amt für Bodenmanagement Büdingen, einem Partner des Projekts erstellten Leerstandskataster stünde den Kommunen ein wichtiges Instrumentarium zur Verfügung.
Noch bis Ende November fließen die Fördergelder (insgesamt 580 000 Euro) für das Projekt der drei Modellkommunen. Die endgültige Auswertung der Fragebögen werden Diller und seine Mitarbeiterin Melanie Geier in einer öffentlichen Veranstaltung vorstellen. Der Termin steht noch nicht fest. In den Modellkommunen soll eine Kommunalstrategie erarbeitet werden, die als Basis für eine Regionalstrategie Ortsentwicklung - nicht nur in den Modellkommunen - dienen kann.
Die Bedeutung einer Regionalstrategie Ortsinnentwicklung unterstreicht Klaus Karger aus Sicht der Wirtschaftsförderung: "Unser Ziel ist es, dass sich Städte und Dörfer vorrangig nach innen entwickeln. Eine nachhaltige Entwicklung, mit innovativen Wohnraumkonzepten, Nutzung von Brachflächen und von Möglichkeiten zur Nachverdichtung. Im Rahmen unserer Veranstaltung am 21. März im Kurhaushotel in Bad Salzhausen mit regionalen Partnern zum Thema ,Wachstumsregion Wetteraukreis - Wohnbauliche Entwicklung zukunftsfähig gestalten' werden wir regionale Entwicklungsansätze und Perspektiven näher beleuchten."