Tafelladen Nidda: Beleidigungen und Bedrohungen wegen vermeintlicher Bevorzugung von Asylberechtigten
Viele bedürftige Menschen mit Lebensmitteln versorgen - das ist Ziel der Tafeln. Dieser Aufgabe widmen sich engagierte Bürger - ehrenamtlich. So auch das Team des Tafelladens Nidda um Koordinator Konrad Kaufmann. Damit Kunden nichts wegwerfen, worüber sich ein anderer eventuell noch freut, wollte man systematisch vorgehen. Einen Aushang, mit dem über die neue Vorgehensweise informiert wurde, hat ein Unbekannter öffentlich gemacht und damit einen Shit-Storm im Internet ausgelöst.
Von Martina Walenta
Die Unterstützung Bedürftiger steht für die Ehrenamtlichen des Tafelladens in Nidda an erster Stelle. Symbolfoto: dpa
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NIDDA - Viele bedürftige Menschen mit Lebensmitteln versorgen - das ist Ziel der Tafeln. Dieser Aufgabe widmen sich engagierte Bürger - ehrenamtlich, ohne Bezahlung und oft auch ohne Anerkennung. Trotzdem lassen sie in ihren Bemühungen, viele Bedürftige zu versorgen, nicht nach. So auch das Team des Tafelladens Nidda um Koordinator Konrad Kaufmann. Damit Kunden nichts wegwerfen, worüber sich ein anderer eventuell noch freut, wollte man systematisch vorgehen. So gab es im Tafelladen einen Aushang, mit dem über die neue Vorgehensweise und deren Gründe informiert wurde. Diesen Aushang hat ein Unbekannter öffentlich gemacht und damit einen Shit-Storm im Internet ausgelöst, der darin gipfelte, dass Konrad Kaufmann und seine ehrenamtlichen Mitarbeiter Anfeindungen ausgesetzt sind, persönlich beschimpft und beleidigt werden.
Es geht um die vermeintliche Bevorzugung von Asylberechtigten. Der Niddaer Tafelladen hat seine Kunden mit dem Aushang darüber informiert, dass seit kurzem auch Mitbürger, deren Asylverfahren mit dem Anerkennungsstatus abgeschlossen ist, Lebensmittel erhalten. Um zu verhindern, dass diese Kunden Lebensmittel aus ihrer Kiste wegwerfen, die sie aus kulturellen oder persönlichen Gründen (etwa bei einer Unverträglichkeit) nicht annehmen wollen, hatte der Tafelladen eine Organisationsänderung vorgenommen: Die Asylberechtigten sollten an den Ausgabetagen vor den anderen Kunden bedient werden, um die von ihnen aussortierten Waren - etwa Wurstwaren, bestimmte Gemüsesorten oder dunkle Brotsorten - weitergeben zu können.
Wer die Abläufe in den Tafelläden kennt, weiß, dass die ehrenamtlichen Mitarbeiter die Kisten schon gepackt haben, lange bevor der erste Kunde da ist. Die vorhandenen Waren werden gleichmäßig in die Boxen verteilt - unabhängig vom Ansehen der Person, unabhängig von der Nationalität oder dem Glauben der Kunden. Nur Familien mit mehreren Kindern erhalten mehr Lebensmittel. Doch auch diese Kisten stehen schon bereit, wenn die entsprechenden Kunden kommen.
HINTERGRUND
Der Tafelladen Nidda bedient in 14-tägigem Rhythmus aktuell 176 Haushalte in Nidda und Ranstadt mit 248 Erwachsenen und 160 Kindern, die aufgrund behördlicher Bescheinigung mit Sozialunterstützung leben müssen. Er kann das nur in dem Umfang tun, wie Lebensmittel zur Verfügung gestellt werden. Alle Kunden erhalten, ohne Bevorzugung einzelner Haushalte in der Warenauswahl, entsprechend der im Haushalt lebenden Personen Lebensmittel, die Märkte, Bäcker und Einzelhändler aus Nidda, Echzell, Berstadt, Wölfersheim, Reichelsheim, Ober-Mockstadt, Ranstadt und Ortenberg zur Verfügung stellen. Insbesondere die verderblichen Waren und solche, deren Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht oder überschritten ist, müssen umgehend an die Kunden weitergegeben werden. (wa)
Demnach ist es also egal, wann die Kisten abgeholt werden. Geben aber zuvor Asylberechtigte Lebensmittel zurück, werden diese auf die anderen Kisten verteilt. Diese Vorgehensweise ist also keine Verschlechterung für den einzelnen Kunden, sondern kann sogar dazu führen, dass jemand mehr Waren in seiner Kiste hat - ohne dass er dafür einen höheren Beitrag leisten muss.
Im Internet wird das natürlich anders dargestellt. Deutsche Tafelkunden müssten mit den "Resten" vorliebnehmen, "Asylanten" würden "immer bevorzugt Essenspakete" erhalten, heißt es unter anderem.
"Der zeitliche Vorzug von Asylberechtigten dient ausschließlich dazu, zurückgereichte Waren weitergeben zu können, da in dieser Kundengruppe der Anteil der nicht angenommenen Lebensmittel hoch ist und eine rechtzeitige Weitergabe an möglichst viele andere Kunden ermöglicht werden soll", erklärt Tafelkoordinator Konrad Kaufmann auf Nachfrage.
Er und sein Team sind enttäuscht, dass der Unbekannte, der den Aushang öffentlich gemacht hat, nicht zuerst ein klärendes Gespräch gesucht hat, sondern gezielt eine falsche Interpretation in Umlauf brachte. Mit der Folge, dass das Team des Tafelladens, der Vorstand des Schottener Tafelvereins und Mitarbeiter der Stadt Nidda beleidigt und bedroht wurden.
Auch Erster Stadtrat Reimund Becker verurteilt das Tun des Unbekannten, der vermutlich sogar Tafelkunde ist. "Ich bin überzeugt, dass hier bewusst eine wohlgemeinte organisatorische Regelung von Leuten mit fremdenfeindlichem Gedankengut fehlinterpretiert und für eine Schlammschlacht missbraucht wird. Es ist erschreckend, welche Ausmaße dies angenommen hat und welchen Anfeindungen der Tafelkoordinator und sein Team ausgesetzt sind." Becker lobte die wichtige Arbeit des Tafelladens und versicherte, "dass die Stadt Nidda unbeirrbar an der Seite des Koordinators und seines Teams steht".