Stehende Ovationen in der Niddaer Liebfrauenkirche
Mit stehenden Ovationen und "Bravo"-Rufen hat das Publikum das Konzert der drei Dekanatskantoreien des Dekanates Büdinger Land in der Niddaer Liebfrauenkirche gefeiert.
Von mü
Das ökumenische Projekt versammelte weit mehr als 100 Aktive zu Füßen des thronenden Christus in der Apsis der Niddaer Liebfrauenkirche. Foto: Schneider
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NIDDA - Mit stehenden Ovationen und "Bravo"-Rufen hat das Publikum das Konzert der drei Dekanatskantoreien des Dekanates Büdinger Land in der Niddaer Liebfrauenkirche gefeiert. Tags zuvor war das anspruchsvolle Programm, bestehend aus der Cäcilienmesse von Charles Gounod (1818 bis 1893) und dem Te Deum von Antonin Dvorák (1841 bis 1904), ebenso erfolgreich in der Büdinger Marienkirche aufgeführt worden.
Den virtuosen musikalischen Part übernahm die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg, gegründet 1990 von Absolventen des St. Petersburger Staatskonservatoriums. Sie wird international als eine der bedeutendsten Botschafterinnen ihres Heimatlandes gefeiert. Solistische Glanzpunkte setzten die deutsch-italienische Sopranistin am Staatstheater Gießen, Karola Pavone, der renommierte junge Tenor Thomas Kiechle sowie der in Gießen geborene deutsch-österreichische Bariton Michael Roman. Die musikalische Gesamtleitung hatten die beiden Dekanatskantorinnen Katrin Anja Krauße (Nidda) und Anne Schneider (Büdingen) inne, wobei Krauße die Cäcilienmesse, Schneider das Te Deum dirigierte. An der Einstudierung der beiden großen Werke hatte sich zudem Dekanatskantor Kiwon Li aus Schotten mit seiner eigenen Kantorei beteiligt.
Als ökumenisches Projekt und "Konzertabend der Extraklasse" würdigten Pfarrer Dr. Mathias Miedreich und Dekanin Sabine Bertram-Schäfer für das Dekanat Büdinger Land das Großereignis, das weit mehr als 100 Aktive zu Füßen des thronenden Christus in der Apsis der Liebfrauenkirche versammelte. Ihr Dank galt auch den Sponsoren und dem Förderverein des Dekanates Büdinger Land.
Die Ankündigung versprach nicht zu viel: Eineinhalb Stunden lang tauchten die Zuhörer in die musikalische Welt zweier Komponisten ein, die sich ihren Themen mit der Kreativität eines Zeitalters zwischen Romantik und Revolution, Tradition und Moderne widmeten. Gounods "Messe solennelle en l'honneur de Sainte-Cécile" in G-Dur, gewidmet der Heiligen Cäcilia als Schutzpatronin der Kirchenmusik, wurde am 22. November 1855, dem Namenstag der Heiligen Cäcilia, in Paris uraufgeführt. Zeitgenossen und Kollegen Gounods rühmten nach dem Ereignis die Strahlkraft der Messe, die bei den Zuhörern tiefe Berührung und Überwältigung hervorgerufen habe.
Tatsächlich bezaubert das Werk durch viele geniale, dabei eingängige, dann wiederum sehr zarte, naturnahe und lyrische Elemente. So verstand sich Gounod meisterhaft darauf, das von ihm vorgesehene große Orchester mit Streichern, Bläsern, Pauken und Harfen gleichermaßen fanfarenartig und festlich, dann wieder ganz zurückhaltend und innig agieren zu lassen - Bewegungen, die vom Gesamtensemble in Nidda sensibel und überzeugend nachgezeichnet wurden. Häufig übernahmen die drei Kantoreien die Rolle des mit einer einzigen Stimme betenden, fragen und suchenden Menschen oder des vielstimmigen Chores der Völker. Frage- und Antwortpassagen im Stil von Vorbeter und Gemeinde, Erzähler und Zuhörer boten den Solisten Raum für brillante Passagen.
Eindrücklich das sanfte Kyrie, der ebenso ungewöhnlich romantische Beginn des Gloria, der Karola Pavone mit der Passage "Gloria in excelsis Deo" die Rolle des Engels der Heiligen Nacht zuwies, bevor Chöre und Orchester mit vollem Klang einsetzten. Auch die vielen Erzählstränge und Emotionen des Credo wurden perfekt bewältigt. Wie das Kyrie unterstrichen auch Sanctus, Benedictus und Agnus Dei den Gegensatz zwischen flehender Bitte um Gottes Erbarmen und strahlendem Hosianna. Für die heutige Zeit ungewöhnlich und reizvoll war die Hinzunahme eines reinen Instrumentalteils während der Gabenbereitung sowie eines Fürbittgebetes.
Der phasenweise geradezu im Modus eines modernen Films erzählende Gestus des Cäcilienmesse - deren Sanctus tatsächlich filmisch eingesetzt wurde - verstärkte sich noch in Dvoráks Te Deum. Das im Symphonieschema in vier Sätzen angelegte Werk verfasste der böhmische Komponist 1892 als Auftragsarbeit des National Conservatory of Music innerhalb kürzester Zeit in New York - auch, um sich als dessen Leiter zu empfehlen. Anlass war die 400-Jahr-Feier der europäischen Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, also kein religiöses Ereignis. Das erklärt die einerseits modern, andererseits auch wie eine komplette Oper im Zeitraffer anmutende Wirkung des Te Deum, das über wenige intensive, stark komprimierte und kontrastreiche Sätze hinweg rasch einem grandiosen Höhe- und Schlusspunkt zustrebt. Die komplexen Ideen Dvoráks, darunter auch tänzerische Elemente aus seiner böhmischen Heimat, stellen nicht nur eine Herausforderung an die Aufführenden dar, der das Ensemble in jeder Hinsicht gerecht wurde, sondern auch an die Zuhörer. Hingerissen von Klang- und Gesangskaskaden strebte alles einem glanzvollen Finale zu, das den stehenden Beifall geradezu als logische Konsequenz erscheinen ließ.