"Nidda satirisch": Liza Kos bringt gleich drei Identitäten auf die Bühne
BAD SALZHAUSEN - "Was glaub ich, wer ich bin?" - mit dieser äußerst schwierigen Frage der Kabarettistin Liza Kos sind 80 Besucher beim zweiten "Nidda satirisch"-Abend der Saison im Parksaal konfrontiert worden. Auf der Suche nach sich selbst zu sein, ist derzeit ein angesagtes und zum Teil mit Bierernst betriebenes Thema.
Das hat Liza Kos erkannt und bringt gleich drei Identitäten auf die Bühne: die "typische" Russin, die "typische" Türkin, die "typische" Deutsche mit dem Etikett "bestens integriert". Hohe Stiefelchen aus, Kopftuch um - und schon wird aus Swetlana die nur scheinbar unterwürfige Güzel. Kopftuch ab - jetzt zeigt sich Liza Kos, greift zur Gitarre ("In Wirklichkeit eine Balalaika, lebt schon lang in Deutschland, hat sich auch integriert..."), pfeift ein kesses Intro und singt zu ihrem Kernthema: "Deutscher bin ich als Waltraut, ess am liebsten Sauerkraut."
Das geschieht alles mit sympathischer Selbstironie. Liza Kos, mit vollem Namen Elizaveta Kostyuk, kam im Alter von 15 Jahren mit ihrer Familie als Kontingentflüchtling nach Deutschland. Als Kind will sie die russische Musikschule immer nur geschwänzt haben. Wenn man sie singen und Gitarre spielen hört, glaubt man das allerdings nicht so ganz.
In einem nicht ganz ernst gemeinten Lebenslauf spricht die junge Frau vom letzten krönenden Abschluss ihrer Integration, dem Eintritt in den Aachener Karnevalsverein: "Ich begann, Öcher Platt zu lernen." Noch tiefer kann man in die deutsche Kultur doch gar nicht eindringen.
Kos ist charmant genug für Nonsens-Lieder und macht vorherrschende Klischees mit lässig hingeworfenen Nebensätzen platt. Der Verkäufer im Elektronikmarkt habe sie und ihren Bruder Russisch sprechen hören und sei ihnen daraufhin wie ein Schatten gefolgt. Die junge Frau kopfschüttelnd: "Ich hasse Vorurteile. Der dachte, wir klauen. Wir Russen doch nicht - wir sind ja keine Polen."
"Wir haben Liza Kos auf der Freiburger Kulturbörse kennengelernt und sie vom Fleck weg engagiert", sagte Martin Guth (Kulturmanagement) während der Begrüßung - und spätestens nach fünf Minuten Programm konnte das Publikum diese Entscheidung nur begrüßen. Denn schon Swetlana aus Moskau ist ein umwerfender Anblick: mit den unerlässlichen weißen Stiefeln, ganz in Schwarz mit einem Glitzertop vom Wühltisch, so wasserstoffblond, dass es förmlich in den Zuschaueraugen wehtut, mit einem Maskengesicht, kratzig aus der Kehle gesprochenen H-Lauten ("Chabe cheute richtig gute Laune...") und R-s, die rollen wie die Tour de France. Swetlana Kalaschnikowa ist ihr voller Name, Molotov hieß sie als Mädchen. Man fühlt sich stark an Marius Müller-Westernhagens Natascha aus Novosibirsk erinnert, die Wodka aus Flaschen trinkt. Auch Swetlana auf der Parksaalbühne scheint Stimulantien zu vermissen: "Ist schwer so als Rrrrrussin in Deutschland, so ganz ohne Doping..." Sie kam auf der Suche nach ihren drei entlaufenen Ex-Ehemännern, wirft aber auch ein prüfendes Auge auf männliche Wesen mit deutschem Pass. Tiefe Enttäuschung folgt: "Brillenträger, Veganer, Mülltrenner! Während mir der Paul noch Komplimente macht, hat mich der Igor schon ins Bett gelegt!"
Ihre Schlagfertigkeit verliert Koz auch als Güzel nicht. Das Handy eines Zuschauers klingelt, sie kontert: "Ist nicht schlimm, wenn ist Erdogan, du musst wegdrücken." Sie übt mit dem Publikum die Aussprache von R-s, bringt den Saal zum Mitsingen. Sogar ein Liebeslied an Deutschland hat sie geschrieben, wo die Leute nur bei Grün über die Straße gehen und extrem pünktlich sind, außer, es handelt sich um die Deutsche Bahn. Und die Schlussbotschaft? "Deutschland, Du bist der Hammer. Doch Dein Gejammer - das mag ich nicht!"