Aufmerksame Zuhörer in der ersten Reihe: Klaus Karger, Erster Kreisbeigeordneter Jan Weckler, Niddas Bürgermeister Hans-Peter Seum und Melanie Geier, Doktorandin an der JLU Gießen, mitverantwortlich für die Umsetzung des Forschungsprojekts (vorn von links). Foto: Lenz
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NIDDA - Halbzeit für das Projekt „Dorf und Du“. Im Bürgerhaus Nidda trafen sich alle Akteure, um eine erste Bilanz zu ziehen und Zwischenergebnisse vorzustellen. Das Vorhaben beschäftigt sich mit der Stärkung der Ortsinnenentwicklung in der Leader-Region Wetterau/Oberhessen. An diesem Abend wurden auch die Gewinner des Wettbewerbs „Mein liebster Ort, meine liebste Aktion“ vorgestellt.
Klaus Karger, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, bezeichnete das Programm „Dorf und Du“ als Glücksfall. „Das Thema hat seinen Ursprung in der Regionalentwicklung.“ Damit sei eine intensive Erarbeitung durch ein eigenes Forschungsprogramm möglich. Das Projekt wird durch die Justus-Liebig-Universität Gießen wissenschaftlich begleitet. Im nächsten Jahr sollen die Erfahrungen und Ergebnisse aus den drei Modellkommunen Nidda, Ortenberg und Butzbach in eine Regionalstrategie für alle 17 Kommunen der Leader-Region fließen.
„Wir wollen die Ortsinnenentwicklung als Daueraufgabe in der Region verankern“, verdeutlichte Dr. Andrea Soboth vom Institut für Regionalmanagement, die durch den Abend führte. Innenentwicklung sei nicht als Einzelmaßnahme zu verstehen, sondern als ein Strauß von Entwicklungen. Zunächst auf örtlicher, später auf regionaler Ebene.
DIE GEWINNER
15 Dorfgemeinschaften aus der Region Wetterau/Oberhessen beteiligten sich am Wettbewerb „Mein liebster Ort, meine liebste Aktion“. Alle drei Sieger hatten sich Backhäusern angenommen: Gewonnen haben die Projekte „Sanierung des Backhauses in Ortenberg-Gelnhaar“, „Neubau eines öffentlichen Backhauses in Nidda-Stornfels und „Straußenwirtschaft im Himbacher Backhaus.“ Die Gelnhaarer Dorfgemeinschaft hatte die meisten Stimmen erhalten. Mit viel Engagement und Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft ist dort ein innerörtlicher Treffpunkt wiederbelebt worden. „Die aktive Dorfgemeinschaft führt in der Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt die dörfliche Tradition des Brotbackens und Haxengrillens fort und gibt sie an die Jugend weiter. Hier arbeiten Jung und Alt zusammen. Das Backhaus ist ein wichtiger Bestandteil des Ortes und so kann man Traditionen weitergeben“, sagte Projektleiter Otfried Herling. (myl)
Architekt Rainer Tropp hatte für die drei Modellkommunen, die ganz verschiedene Problemfelder und Strukturen aufweisen, Testentwürfe erarbeitet. In Butzbach-Hoch-Weisel könnte durch die Zusammenlegung von drei Hofreiten Hausgemeinschaften für Senioren entstehen, kleine, barrierefreie Wohneinheiten. Seine Idee: Die Scheunen werden zu Gemeinschaftsräumen inklusive einer kleinen Gästewohnung.
„Bauliche Veränderungen machen einen Ort lebenswert, aber das Leben bringen die Menschen“, verdeutlichte André Haußmann von der Firma Marketing Effekt. Ehrenamtliches Engagement zu nutzen, nur weil die finanziellen Mittel knapp seien, sei sehr schade. Die Veränderungen, die man anvisiere, seien schließlich für die Menschen, die dort lebten. Eine Bürgerbeteiligung könne man nicht verordnen, sondern sei ein großes Pfrund. André Haußmann: „Die Kommunikation kann einen großen Beitrag zur Bewusstseinsbildung leisten. Die technischen Mittel sind das Eine. Doch das Wichtigste ist die persönliche Kommunikation.“
Das Manko vieler Kommunen sei, dass der Wert der Kommunikation unterbewertet werde. Da müsse ein Umdenken stattfinden. Jemand müsse ein Konzept sehen und das kommunikativ steuern. Dabei sollte man mit Bildern und Geschichten arbeiten.
Dass Ortsdurchfahren von den Bürgern vor allem auch als Lebensraum und Hauptschlagader eines Ortes gesehen werden, davon berichtete Kerstin Quaiser von der Projektsteuerung aus den Ergebnissen und Workshops aus Butzbach-Fauerbach. Um die zahlreichen Nutzungsansprüche an eine Ortsdurchfahrt unter einen Hut zu bringen riet sie, früh genug alle Akteure, in diesem Fall die für die Straße zuständigen Behörden und die Polizei, einzubinden. Durch Wunschabfragen und Workshops seien 15 Maßnahmen für das Dorf entwickelt worden.
Zu wenig Mitstreiter, zu wenig Ressourcen? Für die kleine unterfränkische Gemeinde Binsfeld gibt es dieses Problem offensichtlich nicht. Was die knapp 400 Einwohner in den vergangenen 20 Jahren auf die Beine gestellt hatten, erzählte Bürgermeister Franz-Josef Sauer: ein Mehrgenerationenhaus, ein Nahwärmenetz, ein Kindergarten, eine Firma, eine Dorfküche und vor allem Arbeitsplätze, die wieder zurück ins Dorf geholt wurden. Das waren nur einige Beispiele, mit denen die Gemeinde das Zusammenleben und die Infrastruktur des Ortes gestärkt hat. Zahlreiche Förderprogramme hatte Binsfeld in Anspruch genommen und somit Wachstumseffekte gegen den allgemeinen Trend angestoßen. „Fördergelder können nur Saatgut sein“, sagte Sauer. Für die Entwicklung seien die Bürger verantwortlich.
Ein weiteres positives Beispiel lieferte Matthias Hirschmüller. Er ist Manager der „Gemeindeallianz Hofheimer Land“. Sieben Kommunen haben sich zusammengetan, um die Städtebauförderung und Revitalisierung der Ortskerne voranzutreiben. Dazu gehört nicht nur eine qualifizierte Bestandsaufnahme, sondern sie umfassen auch Maßnahmen wie die Rücknahme von ausgewiesenen Bauplätzen oder die Unterhaltung von Dorfläden.
Zurück in die Wetterau: Zwei Monate lang lief der Wettbewerb „Mein liebster Ort, meine liebste Aktion“, zu dem die Projektleitung aufgerufen hatte. 200 Bürger hatten sich beteiligt. 15 Projekte wurden eingereicht, die im Internet knapp 4000 Klicks erreichten. Drei Favoriten wurden letztlich gekürt, dabei lagen Backhäuser in der Gunst ganz vorn, sie erhielten die meisten Klicks.
„Diese Beiträge zeigen nicht nur, dass Innenentwicklung auf verschiedene Art möglich ist, und bereits jetzt schon praktiziert wird. Vielmehr machen die Aktionen auch Mut, Projekte für den eigenen Ort anzustoßen. Es lohnt sich“, schloss Ortenbergs Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring.