Zwölf Frauen vertraulich behandelt
WETTERAUKREIS - Vertraulich und kostenfrei können sich Opfer von Vergewaltigungen seit dem 25. November im Hochwaldkrankenhaus in Bad Nauheim behandeln lassen. Zwölf Frauen haben das Angebot in den ersten sechs Monaten genutzt, berichtet der Frauen-Notruf Wetterau, der das Projekt betreut. Die Vergewaltigungsopfer waren zwischen 15 und 55 Jahre alt. Nur vier von ihnen haben bislang Anzeige erstattet. Die anderen können das allerdings noch tun: Die Befunde werden für ein Jahr gesichert.
„Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ heißt das Angebot am Hochwaldkrankenhaus. Vergewaltigungsopfer können sich gleich an die Polizei wenden, um Anzeige zu erstatten. Wenn sie das nicht – oder zumindest nicht gleich – tun wollen, können sie das Angebot am Hochwaldkrankenhaus nutzen. Dabei können sie sich lediglich für eine medizinische Behandlung entscheiden – einschließlich „Pille danach“, um eine Schwangerschaft zu vermeiden. Zudem können sie sich für eine Sicherung der Befunde entschließen, um eventuell später Anzeige zu erstatten sowie Schmerzensgeld und Schadenersatz einzuklagen. „Vielleicht erscheint ihnen dies alles im Moment nicht so wichtig, dies kann sich im weiteren Verlauf aber ändern. Eine gute Befundung lässt sich nicht nachholen“, heißt es im Flyer für das neue Angebot im Hochwaldkrankenhaus. Bei der Befundsicherung werden Spuren und Verletzungen am Körper des Opfers dokumentiert. Damit Spuren gesichert werden können, sollten die Opfer nach der Tat nicht duschen und ihre Kleider nicht wechseln.
Elf der zwölf Frauen, die die medizinische Soforthilfe im Hochwaldkrankenhaus im ersten Halbjahr genutzt haben, haben sich für diese Befundsicherung entschieden, berichtet der Frauen-Notruf. Die Befunde werden ein Jahr lang in der Rechtsmedizin in Gießen aufbewahrt. Für die Wetterauer Polizei hat das neue Angebot im Hochwaldkrankenhaus einen positiven Nebeneffekt: Sie kann nach angezeigten Vergewaltigung die Befunde nun auch hier sicherstellen lassen, nicht mehr nur im weit entfernten Gießen.
Wie viele der Frauen, die noch keine Anzeige erstattet hatten, aber die Befunde sichern ließen, nachträglich zur Polizei gingen, ist noch nicht ausgewertet worden, sagt Kirsten Schäfer, Opferschutzkoordinatorin bei der Polizeidirektion Wetterau.
Fast alle der zwölf Vergewaltigungsopfer kannten den Täter: 83 Prozent. Das ist nicht ungewöhnlich, sondern entspricht den Erkenntnissen aus Sexualdelikten. „Entgegen den weitverbreiteten Mythen ist es meist nicht der Fremdtäter, der im öffentlichen Raum vergewaltigt, sondern ein Bekannter, der die Privatheit nutzt“, teilt der Frauen-Notruf mit.
Von den zwölf vergewaltigten Frauen haben 17 Prozent einen Migrationshintergrund, besagt die Statistik des Frauen-Notrufs. Drei der zwölf Opfer waren „kognitiv und/oder psychisch beeinträchtigt“, heißt es dort weiter. Das bedeutet, dass sie geistig behindert sind, erläutert Christa Mansky vom Frauen-Notruf. Dass die drei die Soforthilfe am Hochwaldkrankenhaus genutzt hätten, sei ein Erfolg des Programms „Suse“ des Wetterauer Frauen-Notrufs. „Suse“ steht für „Sicher und selbstbestimmt – Frauen und Mädchen mit Behinderung stärken“. Das Programm beruht auf der Erkenntnis, dass behinderte Frauen viel häufiger Gewalt erleben als nichtbehinderte Frauen und Mädchen. Fast jede behinderte Frau erfahre körperliche und psychische Gewalt, fast jede zweite Frau mit Behinderung sei von sexualisierter Gewalt betroffen.
Die „medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ am Hochwaldkrankenhaus richtet sich laut Kirsten Mansky auch an männliche Vergewaltigungsopfer, wurde von diesen bislang jedoch noch nicht genutzt.
Die Wetterauer Zahlen entsprechen weitgehend denen der Soforthilfe in Frankfurt, teilt der Frauen-Notruf mit. Dort sei das Angebot im ersten Jahr von 17 Frauen genutzt worden.
Die Frankfurter Soforthilfe ist bereits seit 2013 aktiv. Sie ist das Vorbild für die Wetterau, sagt Mansky. Eineinhalb Jahre hatte ein Arbeitskreis aus Vertreterinnen der Kreisverwaltung, der Polizei, einer Rechtsanwaltskanzlei und des Frauen-Notrufs daran gearbeitet, das Frankfurter Modell auf die Wetterau zu übertragen. Am 25. November 2015 konnte es dann an den Start gehen. Betreut wird es seither vom Frauen-Notruf Wetterau, der seinen Sitz in Nidda hat.
Vergewaltigungsopfer in der Wetterau, die die medizinische Soforthilfe am Hochwaldkrankenhaus in Anspruch nehmen wollen, können sich von 8 bis 16 Uhr an die Gynäkologische Abteilung des Krankenhauses wenden, Telefon 06032/7021207, und in der übrigen Zeit an die Notaufnahme, Telefon 06032/7022408. Oder sie können sich an den Frauen-Notruf Wetterau, Telefon 06043/4471, wenden.
Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.soforthilfe-nachvergewaltigung.de („Wetterau“ anklicken) und auf www.frauen-notruf-wetterau.de.