Samstag,
03.08.2019 - 07:00
3 min
Hinterm Stockheimer Bahnhof geht's weiter
Ist das noch Wetter oder schon Klima? Diesen Satz, mehr Ausdruck großer Verunsicherung als tatsächlich eine Frage, hat man in den vergangenen Tagen oft gehört. Darf man den Sommer noch genießen? Oder ist, wer sich sorglos sonnt und im Wasser aalt, entweder dumm oder grenzenlos naiv, weil er die Vorzeichen der Apokalypse nicht erkennen will? *Am Montag war Earth Overshoot Day. Erd- überlastungstag. Die Ressourcen, die der Planet uns innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellt, waren am 29. Juli aufgebraucht. Konto überzogen. Jetzt leben wir auf Pump. Noch im Jahr 2000 war der Welterschöpfungstag am 1. November. Müsste man nicht also dringend etwas tun? *Der Wetterauer Landtagsabgeordnete Jörg-Uwe Hahn (FDP) hat dieser Tage wieder Lösungen angemahnt, um den Verkehr in der Region vor dem Kollaps zu bewahren. Das Stockheimer Lieschen sei wenig komfortabel, zu voll und zu oft zu spät, klagt Hahn, der Ausbau der S6 von Frankfurt nach Friedberg ziehe sich hin und die Straßen "sind zu gewissen Stoßzeiten in der Region überfüllt". Stimmt, alles wenig attraktiv und wenig zeitgemäß. Aber, lieber Herr Landtagsvizepräsident, die Welt geht hinter dem Stockheimer Bahnhof weiter und ist dort in puncto ÖPNV und Klima noch weitaus weniger attraktiv und zeitgemäß.*Denn die, die morgens und abends mit ihren Autos die Straßen verstopfen, sind wir, die Menschen aus dem östlichen Teil des Wetteraukreises und aus dem Vogelsberg, die ohne eigenen fahrbaren Untersatz nämlich gar nicht wegkommen aus ihren Dörfern. Wer in Ober-Seemen oder in Helfersdorf wohnt und einen Arbeitsplatz in Frankfurt hat, mietet dazu dort am besten gleich noch eine Wohnung, wenn er aufs Auto verzichten möchte (oder muss). Denn um morgens um 8 Uhr in Frankfurt und Umgebung zu sein, müsste man am Vorabend daheim aufbrechen. *Ich lebe in einem Fünfpersonenhaushalt in Gedern. Wir haben vier (!) Autos. Damit legen wir jede Woche in einem Dreieck zwischen Frankfurt, Fulda und Gießen knapp 2000 Kilometer zurück, Freizeitfahrten nicht mitgerechnet, und stoßen Woche für Woche etwa 320 Kilo CO2 aus. Vier Autos sind eine ganze Menge Blech, aber für fünf Personen in Gedern trotzdem zu wenig, um morgens und abends zuverlässig und pünktlich unterwegs zu sein. "Nimm doch den Bus!" - Das heißt warten, von Kaff zu Kaff zockeln, umsteigen auf die Bahn und mindestens eine Stunde länger unterwegs sein. Dazu das Risiko, zu spät zu kommen und einen Termin zu versäumen. *Der Siedlungsdruck in Frankfurt ist enorm. Und er wächst. Längst ist er auch in der Wetterau zu spüren. Noch nur dort, wo Busse und Bahnen besser getaktet sind und die Häuser in den Ortskernen nicht leer stehen. Wenn er eines Tages aber auch im hinteren Zipfel des Landkreises ankommt, werden ein paar schlechte Busverbindungen nicht mehr ausreichen, um einen Kollaps zu verhindern. *Aber auch im Altkreis gibt es hin und wieder ein wenig Glanz. Im neuen Hotel und Restaurant "Steinhaus 1718" in Büdingen logiert zur Zeit ein prominentes Trio, Schauspieler, die in Deutschland Film-, Fernseh- und Theatergeschichte geschrieben haben: Uschi Glas, auch mit 75 Jahren und nach unzähligen Rollen noch immer in Erinnerung an ihren Durchbruch 1968 als "Schätzchen" apostrophiert, der bajuwarisch lässige, in seinen Rollen meist grantelnde Günther Maria Halmer und der großartige Thomas Thieme, der schon Martin Bormann, Helmut Kohl und Uli Hoeneß verkörpert hat und jetzt im Büdinger Schloss als ehemaliger Fußballtrainer Horst in einem Trainingsanzug aus Ballonseide vor der Kamera steht. Dieser Horst, die ehemalige Schauspielerin Vera (Glas) und der ehemalige Professor Kilian (Halmer) sind Altersheiminsassen auf Burg Geroldseck und gehen gemeinsam mit dem neunjährigen Max, Sohn einer Altenpflegerin, auf Verbrecherjagd. Verfilmt wird das Kinderbuch "Max und die wilde 7" von Lisa-Marie Dickreiter und Wilfried Oelsner, der auch Regie führt. In Büdingen wird noch bis etwa Mitte des Monats gedreht, dann geht es in Braunfels weiter. Im nächsten Jahr soll der Film in die Kinos kommen. Freuen wir uns drauf. Schönes Wochenende.