CDU-Neujahrsempfang: Wetterauer applaudieren Innenminister Peter Beuth zur Schleierfahndung
Ein "Ohh" der Enttäuschung stieg am Dienstagabend über den Tischreihen der Friedberger Stadthalle auf. Die gut 300 Gäste hatten Volker Bouffier als Hauptredner erwartet - doch er kam nicht. "Er ist in Berlin", sagte die CDU-Kreisvorsitzende Lucia Puttrich. Denn der Ministerpräsident könne endlich mit anderen CDU-Spitzenleuten die Koalitionsgespräche mit der SPD vorbereiten. Innenminister Peter Beuth sprang in die Bresche.
Von Klaus Nissen
Der Bundestagsabgeordnete Oswin Veith, der Landtagsabgeordnete Tobias Utter, der 87-jährige Christian Schwarz-Schilling, der Friedberger CDU-Vorsitzende Bernd Wagner und CDU-Kreisverbands-Chefin Lucia Puttrich hörten aufmerksam zu. Fotos: Nissen
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WETTERAUKREIS - Ein "Ohh" der Enttäuschung stieg am Dienstagabend über den Tischreihen der Friedberger Stadthalle auf. Die gut 300 Gäste hatten Volker Bouffier als Hauptredner erwartet - doch er kam nicht. "Er ist in Berlin", sagte die CDU-Kreisvorsitzende Lucia Puttrich. Denn der Ministerpräsident könne endlich mit anderen CDU-Spitzenleuten die Koalitionsgespräche mit der SPD vorbereiten. Die Zeit sei reif, meinte die in grüner Jacke und schwarzem Lederrock auftretende Ministerin. "Das Land braucht Parteien, die regieren - und nicht an ihre Erneuerung denken."
Großer Beifall, den die unter lauter Christdemokraten sitzende SPD-Unterbezirksvorsitzende Lisa Gnadl tapfer aushielt. Zwei Tage zuvor hatte sie beim Bonner SPD-Parteitag für eine Erneuerung ihrer Partei in der Opposition gestimmt. Neben Gnadl saßen etliche SPD-Politiker, einige Grüne und der FWG-Kreistagsabgeordnete Erich Spamer als Gäste im Saal. Die Tische waren nach Städten und Gemeinden besetzt; vor allem ältere Mitglieder des mehr als 2000-köpfigen CDU-Kreisverbands nippten Apfelschorle, Wein und Wasser, kauten an Salzbrezeln und hörten sich Reden an. Das Flöten-Ensemble "Tinnitus" aus Ockstadt blies zum Auftakt der Polit-Botschaften von der Stadthallen-Bühne herunter.
Bevor Innenminister Peter Beuth statt des Ministerpräsidenten auf die Bühne trat, lobte die Europa-Ministerin Europa. "Die Europäische Union brachte uns Frieden, Demokratie und Wohlstand - dafür kann man ein Stück dankbar sein", meinte Lucia Puttrich. Verhaltener Beifall. Der CDU-Landratskandidat Jan Weckler sagte: "Die Wirtschaft brummt, es gibt kaum Arbeitslose. Und wer baut, hat es schwer, Handwerker zu finden." Die Bevölkerung werde bald um zehn Prozent wachsen. "Das ist, als ob Friedberg auf der grünen Wiese gerade noch mal gebaut wird." In den nächsten fünf Jahren bekomme die Wetterau 11 000 neue Wohnungen und jährlich 700 zusätzliche Schüler. "Das ist eine Herausforderung, die wir seit dem letzten Weltkrieg nicht mehr hatten", proklamierte Weckler. Wenn die Bürger ihn am 4. März wählen, will er sie als Landrat gerne annehmen.
Und dann: Peter Beuth. Der Innenminister malte zunächst ein Elysium. Hessens Wirtschaft blühe. Die Landesregierung habe dem Wetteraukreis 116 Millionen Euro Schulden abgenommen. Nun werde sie den Kommunen mit der Hessenkasse alte Giro-Schulden ablösen - in Friedberg mache das 3,7 Millionen Euro aus. Auch die Menschen spürten den Wohlstand, sagte Beuth. Ihre Einkommen seien seit 2012 um 15 Prozent gewachsen. Die Rentner bekämen binnen dreier Jahre zweistellige Renten-Zuwächse. "Und die jungen Leute haben herausragende Chancen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen." Die Arbeitslosigkeit liege hier ein Drittel unter dem europäischen Durchschnitt. In den Schulen gebe es eine 105-prozentige Lehrer-Abdeckung.
Und dann die innere Sicherheit: Nur sieben Prozent der Bevölkerung fühlten sich unsicher - "das ist ein wunderbares Kompliment für unsere Polizei- und Sicherheitsbehörden". Beifall im Publikum. Jede Polizeiwache habe genug schusssichere Westen. 62,7 Prozent aller Straftaten würden aufgeklärt, viel mehr als zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Die Polizei bekomme bis 2019 elf Prozent mehr Personal, also 1500 zusätzliche Beamte. Toll findet Peter Beuth auch, dass Videokameras an öffentlichen Stellen gefühlte und objektive Sicherheit brächten. Lauter Beifall. Die Schleierfahndung sei ein wichtiges Werkzeug. "Wir können auch mal die Autobahn dichtmachen und mal schauen, wer so unterwegs ist." Bei 1,5 Millionen verdachts-unabhängigen Kontrollen habe die Polizei 35 000 Festnahmen vornehmen können.
Doch nicht alles sei gut. Beuth ärgert es, dass die Polizei bei der Suche nach Mördern, Vergewaltigern und mindestens 8000 Kinderporno-Konsumenten nicht die Maut-Daten von den deutschen Autobahnen auswerten darf. "Das darf nicht sein", schimpfte er und erntete Applaus. Härtere Strafen brauchten zudem Leute, die Steine- und Molotowcocktail-Werfer bei Demonstrationen decken. Und Fußballfans, die mitten im Familienblock Bengalos zünden. "Wir können auch nicht hinnehmen, dass unsere Feuerwehrleute mit Raketen beschossen werden. Wer das macht, muss hart bestraft werden." Die Täter brauchten mindestens sechs Monate Haft. Straffällige Ausländer müssten in ihre Heimat zurück. Wenn die sich weigere, müsse man ihr die Entwicklungshilfe streichen. Lautes Klatschen, dröhnende Tischplatten.
Gegen 20 Uhr eilte der Minister davon. Sieben junge Leute vom Musikschul-Chor "Cantalmo" sangen eine "Vater unser"-Vertonung. Zum Schluss wollte Lucia Puttrich dem Landrats-Kandidaten Gutes tun. Sie ließ Jan Weckler ein riesiges essbares Weck-Männchen überreichen. Als Trost für seine Frau, die er jetzt im Wahlkampf so oft allein lassen müsse. Das kam wohl nicht so gut. Jedenfalls zog der sonst stets nett lächelnde Jan Weckler sekundenlang eine Flunsch.