Wie soll man Leuten gegenüber auftreten, die offensichtlich ein menschenfeindliches Weltbild haben und festgefahren sind in ihrer Haltung? Mit dieser und ähnlichen Fragen beschäftigte sich ein Vortrag am Wolfgang-Ernst-Gymnasium. Der Kreis-Anzeiger hat sich mit der Referentin Aylin Kortel von der Bildungsstätte Anne Frank darüber unterhalten.
Von Susanne Kleinmann
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
BÜDINGEN - Büdingen. Wie soll man Leuten gegenüber auftreten, die offensichtlich ein menschenfeindliches Weltbild haben und festgefahren sind in ihrer Haltung? Mit solchen Fragen beschäftigte sich ein Vortrag am Wolfgang-Ernst-Gymnasium. Der Kreis-Anzeiger hat sich mit der Referentin Aylin Kortel von der Bildungsstätte Anne Frank darüber unterhalten.
Wie wichtig ist es, Jugendliche an Schulen direkt auf das Thema Rechtspopulismus anzusprechen?
Es ist enorm wichtig, dass Jugendliche über dieses Thema aufgeklärt werden und in ihrer Haltung gestärkt werden. Der Rechtspopulismus ist momentan omnipräsent, aber es fehlt oftmals an Positionen, die diesen klar verurteilen und vor allem Gründe dafür liefern. Zu verstehen, welche Ideologien hinter rechtspopulistischen Äußerungen stecken und wogegen diese verstoßen - Stichwort Gleichwertigkeitsprinzip -, ist aber eine wichtige Voraussetzung dafür, eine Haltung zu entwickeln und diese auch zu vertreten.
Denken Sie, dass Sie die Schüler mit Veranstaltungen dieser Art erreichen?
Ich hoffe natürlich, dass die Schüler etwas mitnehmen und dass sie durch solche Veranstaltungen gestärkt werden. Natürlich ist das Format "Vortrag und Diskussion" nicht für alle Zielgruppen geeignet und kann sicher auch nicht alle Zuhörer erreichen. Insofern ist es wichtig, auch Formate anzubieten, die andere Zugänge zu dem Thema ermöglichen. Mit Jugendlichen führen wir primär Workshops durch, die einen ganz anderen Rahmen bieten und in Form von interaktiven Methoden und Diskussionsmöglichkeiten eine intensive Beschäftigung mit der Thematik ermöglichen. Einen weiteren Zugang bietet zum Beispiel unsere Wanderausstellung "Mensch, du hast Recht (e)", die auf interaktive Art und Weise über die Themen Rassismus, Menschenrechte und Demokratie informiert.
Nehmen Äußerungen rechtspopulistischer Art in unserer Gesellschaft zu oder gab es das schon immer?
Rechtspopulistische Äußerungen haben nicht erst mit dem Erstarken der AfD begonnen - zum Beispiel ist Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" bereits 2010 veröffentlicht worden und hat massiv dazu beigetragen, rechtspopulistische Thesen im öffentlichen Diskurs zu platzieren. Äußerungen wie "Das Boot ist voll" gab es auch schon in den 90ern. Gleichzeitig lässt sich mit der Präsenz der AfD beobachten, dass sich der Sagbarkeitsraum erweitert hat - nicht zuletzt durch die vielen Tabubrüche und Provokationen. Die Tatsache, dass die AfD nun auch im Bundestag präsent ist, erhöht auch das Gefühl der Legitimität, solche Äußerungen zu tätigen und Haltungen zu vertreten.
Welche Strategien können junge Menschen tatsächlich entwickeln, um die eigene Haltung zu stärken und zu vertreten?
Wichtig ist zunächst einmal, zu verstehen, dass die rassistischen Grundgedanken, die sich in rechtspopulistischen Gruppierungen und Parteien zeigen, in der gesamten Gesellschaft präsent sind - es geht also nicht um Ränder der Gesellschaft, sondern um uns alle. Dementsprechend haben wir auch alle die Verantwortung, uns für eine Gesellschaft, in der alle einen Platz haben, einzusetzen. Und das heißt auch, bei uns selbst anzufangen - bei unseren eigenen Vorurteilen und Bildern im Kopf - unseren eigenen Vorstellungen von Zugehörigkeit. Ein weiterer Punkt ist dann eine positive Grundlage zu finden, auf der rechtes Gedankengut abgelehnt werden kann, etwa die Menschenrechte. Bildungsarbeit zu den Themen Rechtspopulismus und -extremismus heißt immer, zunächst diese Basis zu stärken.
Wichtig für junge Menschen sind auch Ansprechpartner, an die sie sich bei Fragen und Unsicherheiten wenden können und mit denen sie gegebenenfalls auch gemeinsam agieren können. Es ist sehr wichtig, dass Jugendliche nicht das Gefühl haben, mit dem Thema alleine dazustehen. Die Rolle von Initiativen vor Ort kann dann sein, die Jugendlichen nicht nur über die Themen aufzuklären und sie in ihrer Haltung zu stärken, sondern auch konkret ansprechbar zu sein, gemeinsam Events zu planen und durchzuführen und ihnen den Rücken zu stärken, falls es Gegenwind geben sollte. Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung der Peer, wenn es darum geht sich untereinander zu bestärken und zu motivieren. Foto: Kleinmann