Andreas Arnold und Verein "ueber.land" organisieren zum dritten Mal Poetry Slam in Calbach
Der Friedberger Andreas Arnold hat großen Anteil daran, dass die Wetterau in Sachen Poetry Slam heute kein weißer Fleck mehr auf der Landkarte ist. Am Samstag streiten die Dichter in der Calbacher Kulturscheune mit Worten um die Gunst des Publikums (Beginn 20 Uhr). Es ist die dritte Veranstaltung dieser Art, die Arnold gemeinsam mit dem Kulturverein "ueber.land" dort anbietet.
Von Michel Kaufmann
Archivfoto:Fotolia/Jiri Hera
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CALBACH - "Ein Poetry Slam ist im Grunde wie ein Wettstreit mittelalterlicher Barden - nur ohne Laute und Burgfräulein", sagt Andreas Arnold. Er muss es wissen, schließlich organisiert der Mann diese modernen Dichterwettstreite seit Jahren. Der Friedberger hat großen Anteil daran, dass die Wetterau in Sachen Poetry Slam heute kein weißer Fleck mehr auf der Landkarte ist. Am Samstag streiten die Dichter in der Calbacher Kulturscheune mit Worten um die Gunst des Publikums (Beginn 20 Uhr). Es ist die dritte Veranstaltung dieser Art, die Arnold gemeinsam mit dem Kulturverein "ueber.land" dort anbietet.
Eigentlich wollte Andreas Arnold über das Thema in seinem "erweiterten Wohnzimmer", dem Friedberger Café Kaktus, sprechen. Aber so früh am Morgen ist dessen Tür noch verschlossen. "Ich habe mir überhaupt keine Gedanken um die Öffnungszeiten gemacht, normalerweise bin ich nie so früh hier", sagt er und lacht. Das Gespräch wird kurzerhand in ein anderes Café verlegt. Manchmal muss man eben spontan sein, mit dem Ungewissen einfach umgehen. Bei Poetry Slams ist das ähnlich. Auch da ist der Ausgang meist ungewiss. "Tatsächlich hängt der Sieg bei einer solchen Veranstaltung weniger vom Text als viel mehr vom Umfeld und vom Tagesgeschehen ab."
Arnold ist Mitglied des Friedberger Vereins "Helden Theater". Dort gibt es eine Poetry-Slam-Sparte, die in diesem Jahr 25 Veranstaltungen organisiert, so viele wie nie zuvor. "Der Poetry Slam kommt aus den USA, allerdings ist dort die Redezeit viel kürzer", erklärt er. Während in Deutschland bis zu zehn Minuten drin sind, darf man in den USA maximal drei bis vier Minuten reden. "Das reicht in der Regel nur für verdichtete Lyrik."
Bei den Slams, die Arnold organisiert, sind es sieben Minuten. Die reichen aus, um einen Charakter zu entwickeln und Atmosphäre zu schaffen. Deshalb haben Poetry Slams in Deutschland nicht zwingend etwas mit Lyrik zu tun. Prosa, Comedy oder Gesellschaftskritik - alles möglich. "Deutschland hat nach den USA die größte Szene. Wir ergänzen das dann noch mit Musik." Am Samstag übernimmt das die Friedberger Band "The Törnarounds".
Basisdemokratie
Das Publikum bewertet die Beiträge mit Punktetafeln. "Die Eins steht für: Wäre er mal lieber zu Hause geblieben, die Zehn für: Ich möchte Text und Autor mit nach Hause nehmen", erklärt er. Die Besten kommen ins Finale, wo der Applaus den Ausschlag für den Sieg gibt - eine Verbeugung vor basisdemokratischen Prozessen.
Wobei der Sieg nicht zwangsläufig das Ziel eines Slammers sein muss. "Ein Poetry Slam hat Wettbewerbscharakter, aber es ist eher wie Wrestling. Allerdings ohne Absprache, wer am Ende gewinnt." Es gebe Teilnehmer, die unbedingt ins Finale kommen wollen, aber das Gros schreibe für sich selbst und freue sich, das mit jemandem teilen zu können. Der Poetry Slam als moderne Form des Dichterwettstreits ist also reduziert auf die Texte. Statt um die Gunst einer einzigen Frau wirbt der moderne Dichter lieber gleich um das ganze Publikum. Das können mal mehr, mal weniger sein. "Beides hat seine Reize. Bei einem kleinen Publikum kann der Vortragende Blickkontakt aufbauen, eine enge, teilweise sehr persönliche Bindung aufbauen. Bei den großen Events - wie zum Beispiel in Frankfurt - ist das natürlich ein tolles Gefühl, vor bis zu 600 Leuten auf der Bühne zu stehen und vortragen zu dürfen."
In Calbach werden neun Künstler auftreten. Keine Literaten, sondern "normale Menschen wie du und ich". Das und die Tatsache, dass man als Zuhörer direkt ein Feedback abgeben kann, unterscheidet den Slam von der klassischen "Wasserglas-Lesung", wie Arnold das nennt. "Man muss kein Germanistik-Professor sein, um seine Wertung abgeben zu können. Es ist ausreichend, wenn man Ohren hat."
Am Samstag werden die allerdings nicht nur deutsche Texte zu hören bekommen, denn die Hälfte des Lineups sind Flüchtlinge, die an einem Workshop zum Thema teilgenommen haben. "Für uns ist das ein Novum. Die meisten Gäste sprechen vermutlich kein Arabisch. Das heißt, die Slammer müssen das Publikum eher über Emotionen als über Inhalt erreichen. Ich denke, das wird richtig spannend", sagt Arnold.