Altenstadt: Frankfurter Kammerchor singt Werke der Leipziger Thomaskantoren
Hohe Ansprüche stellten die Kompositionen der Thomaskantoren beim Konzert im Kloster Engelthal an die Ausführenden.
Von Inge Schneider
Stimmgewaltig und einfühlsam selbst bei schwierigen Stücken: der Kurt-Thomas-Kammerchor, der unter der Leitung von Andreas Köhs. Foto: Schneider
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ENGELTHAL - Mit einem großartigen Konzert unter dem Titel "Leipziger Thomaskantoren" hat der Kurt-Thomas-Kammerchor der Frankfurter evangelischen Dreikönigskirche nicht nur minutenlangen begeisterten Applaus ausgelöst, sondern auch ein deutliches ökumenisches Zeichen gesetzt: So erklangen in der Abteikirche des Benediktinerinnenklosters Engelthal ausschließlich Werke der nachreformatorischen Thomaskantoren, unter ihnen als bekanntester Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750). Dass über dem heutigen Glanze Bachs dessen begnadete Kollegen oftmals zu Unrecht etwas in den Hintergrund geraten, wurde ebenso deutlich wie die hohen Ansprüche, die sämtliche Kompositionen des Abends an Dirigent, Solisten, Chor und Soloquartett stellten.
Diese Vielfalt zusammenzufassen, war eine der vielen Aufgaben des musikalischen Gesamtleiters und Begründers des Kurt-Thomas-Kammerchores, Andreas Köhs. Nicht zum ersten Mal begrüßte man den vielfach ausgezeichneten Kirchenmusiker in Kloster Engelthal, das Konzert stellte eine Kooperation der Abtei mit dem renommierten Verein Kirchenmusik Dreikönig dar. Zugleich bereitete sich der Chor, der den Namen eines berühmten Kantors an der Dreikönigskirche wie auch der Leipziger Thomaskirche trägt, mit seinem Vortrag auf eine Reise nach Leipzig vor, wie Andreas Köhs erläuterte: Am 11. und 12. Oktober wird das vielköpfige Frankfurter Ensemble dort die berühmten Motetten sowie den Sonntagsgottesdienst ausgestalten. Dass man dafür bestens gerüstet ist, stellte man vorab in Engelthal unter Beweis.
Die Zusammenstellung der einzelnen Musikstücke gab nicht nur ein berührendes Zeugnis tiefer protestantischer Frömmigkeit, sondern folgte kursorisch auch dem Aufbau eines ökumenisch verstandenen Gottesdienstes sowie eines Ganges durch die Heilsgeschichte und die persönliche Erfahrung des Menschen mit seinem Gott. Introitus, Segen und Ausgang bildeten mit komplexen Werken Johann Sebastian Bachs quasi die Klammer um das Gesamtrepertoire des Abends, während im Zentrum des Konzertes der 18-jährige Claudius Köhs, Sohn des Dirigenten, mit Präludium und Fuge C-Dur von Bach an der Engelthaler Orgel brillierte. Dem belebten Bachschen "Lobet den Herrn, alle Heiden" folgte ein zwischen Forte und Piano, zwischen flehentlicher Bitte und sanftem Seufzen changierendes "Kyrie" aus der Messe in f-moll von Thomaskantor Moritz Hauptmann ((1792 bis 1868), das, wie viele der dargebotenen Werke, in einem strahlenden, hoffnungsvollen Dur-Akkord endete. Die beiden ersten Sätze boten nicht nur dem Telemann-Ensemble Frankfurt mit Petra Köhs am Violoncello, Thomas Wilhelm an der Truhenorgel und Ichiro Noda an der Violine die Möglichkeit, ihr Können sensibel einzusetzen, sondern auch den Solisten Julia Brock (Sopran), Martina Dix (Alt), Martin Falk (Tenor) und Daniel Starke (Bass). Beeindruckend erklang anschließend das Doppelchor-Werk "Gott ist unsre Zuversicht und Stärke" von Tobias Michael (1592 bis 1557), bei der ein Teil des Chores von der Empore aus sang und dem Zuhörer auf diese Weise ein wundervoll räumliches Klangerlebnis ermöglichte.
Herausforderungen
Dabei wie in allen übrigen Passagen des Konzertes hatten Chor und Dirigent nicht nur musikalische Herausforderungen zu meistern, sondern ebenso zahlreiche Umstellungen in den Stimmen, die geradezu einer präzisen Choreographie glichen und immer wieder neue Höreindrücke vermittelten. Das Magnificat "Meine Seele erhebt den Herrn" von Wolfgang Figulus (1525 bis 1589) betonte als frühestes Werk des Abends a cappella und achtstimmig im zweigeteilten Chor vor allem den Glanz der Frauenstimmen in Schlichtheit, aber auch erzählend und nach Art eines Gloria lobpreisend. "Christus ist des Gesetzes Ende" von Johann Schelle (1648 bis 1701) konnte in seiner festlichen Zuversicht als Höhepunkt und Abschluss eines Wortgottesdienstes gedacht werden, während des "Laudate Dominum" von Christian Theodor Weinlig (1780 bis 1842) in lateinischer Sprache mit besonders hohen, engelgleichen Frauenstimmen dem Gestus des "Sanctus" entsprach. Die Passion Christi, seine Hingabe und die eigene Endlichkeit bedachte der emotionale Bachsatz "Komm, Jesu, komm", das "Ave verum corpus" von Ernst Friedrich Richter (1808 bis 1879) nahm gleichermaßen Bezug auf den Kreuzestod Christi wie auch erneut auf seine Mutter Maria. "Gott mit uns" von Gustav Schreck (1849 bis 1918) erinnerte als jüngstes Werk des Abends nicht nur an den Zug des Volkes Israel durch die Wüste, sondern zugleich auch unterschwellig an die Schrecken des Ersten Weltkrieges und griff dabei das inhaltliche Thema des "Kyrie" vom Anfang auf. Mit "Nun danket alle Gott" von Johann Hermann Schein (1586 bis 1630) wandte man sich Segen, Dank und Lobpreis zu, der hier gelegentlich in Form gesungener Glockenklänge und Echoeffekte zu hören war. Die komplexe Motette "Singt dem Herrn ein neues Lied" setzte mit Gesamtchor und zwei inhaltlich einander antwortenden Chören im Mittelteil einen wundervollen Glanzpunkt an den Schluss eines Konzertes, das in seinem Reichtum und seiner Vielfalt in vielen Zuhörern mit Sicherheit noch lange nachklingen wird.