Freitag,
27.09.2019 - 12:00
3 min
Zwischen "Owe Peffesch" und "One Peffesch"
Von Corinna Willführ

Mit 92 Jahren ist Erwin Hirtz der älteste "Aktive", der sich am "Tag des offenen Dorf Eichelsachsen" beteiligt. Foto: Willführ
EICHELSACHSEN - Er gehört zu den markantesten Punkten in Eichelsachsen: der Torbogen im gotischen Stil in der Forstgartenstraße. Gemeinsam mit der evangelischen Kirche und dem Dorfbrunnen ziert er auch das Logo des Schottener Stadtteils. Aus seiner Geschichte und von Geschichten, die sich um ihn und das einstige Anwesen der Oberförsterei Eichelsachsen ranken, erzählt Erwin Wirtz am "Tag des offenen Dorfes" am Donnerstag, 3. Oktober.
Im Wintergarten des Hauses in der Forstgartenstraße 1 liegen vor Erwin Wirtz die Chronik "800 Jahre Eichelsachsen 1187 bis 1987", die Festschrift zur Einweihung des Bürgerhauses im April 1967, das Ahnenbuch seiner Familie, Zeitungsausschnitte und viele Seiten handschriftlicher Aufzeichnungen.
Was den Senior antreibt, all dies in stundenlanger Vorbereitung für den "Tag des offenen Dorfes" zusammenzustellen: Er wurde am 3. Juni 1927 in der Forsthaustraße 1 geboren - und lebt dort, mit kurzen Unterbrechungen, seit 92 Jahren. Wie seine Vorfahren: die Eltern, Großeltern, Urgroßeltern. "Sich mit Geschichte zu beschäftigen, ist sehr spannend. Ich hoffe, dass ich Menschen mit meinen Erzählungen dafür interessieren kann. In meinem Alter gibt es ja nicht mehr viele, die das tun können." Über Zeiten und Ereignisse in Eichelsachsen, die Jahrhunderte zurückliegen oder Jahrzehnte.
Am Torbogen in der Forstgartenstraße ist keine Jahreszahl mehr zu erkennen. Erwin Wirtz hat sie sofort parat: 1590. Zugleich fügt er hinzu, dass der Bogen nicht zu den beiden Gebäuden zur Rechten und zur Linken gehört. Also zu den Häusern "Owe Peffesch" und "One Peffesch". Die seien erst viel später entstanden. Was den 92-Jährigen am Torbogen begeistert: "Er wurde mit Feldsteinen gebaut, ohne Zement. Den hielt nur Leinöl zusammen. Es ist erstaunlich, dass er so die Jahrhunderte überdauert hat." Nun könnte man meinen, dass die Geschichte der Oberförsterei Eichelsachsen ebenfalls bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Das ist indes mitnichten der Fall. Denn deren Vorgeschichte hängt zum einen mit den Adeligen von Jossa aus dem Spessart zusammen und mit Ludwig VIII. von Darmstadt, der Mitte des 18. Jahrhunderts große Jagdgesellschaften im Schloss Zwiefalten abhielt. Die Oberförsterei, 1770 nach Eichelsachsen verlegt, umfasste ein ziemlich großes Gebiet, vom Eichelbachtal bis zum Hoherodskopf und gen Westen bis nach Bingenheim, heute ein Ortsteil von Echzell.
Was das für das Dorf, für die Wald- und Forstwirtschaft bedeutete, wird Erwin Wirtz erzählen. Auch, mit welch' verheerenden Folgen der Durchzug marodierender Truppen des Herzogs von Braunschweig 1622 im 30-Jährigen-Krieg für die Eichelsächser Dörfler verbunden war. Und dass diese versuchten, sich auf dem "Schloss" in Sicherheit zu bringen, auch 1635 vor der Pest. Dabei war dieses "Schloss", kein herrschaftliches Anwesen, sondern ein Zufluchtsort. Wo? Das sei an dieser Stelle nicht verraten.
Die Antwort darauf gibt Erwin Wirtz, dreifacher Vater, vierfacher Opa und zweifacher Urgroßvater am 3. Oktober gerne. Apropos Urgroßvater. Johann Georg Pfeffer, der direkte Vorfahre von Erwin Wirtz, war es, der das ehemalige Forstamt 1842 kaufte und seinen drei Söhnen vermachte. Das erklärt, wieso die beiden Gebäude in der Forsthausstraße die Namen "Owe Peffesch" und "One Peffesch" haben - und Erwin Wirtz im Dorf noch der "Peffesche Erwin" ist.
Der einstige Oberinspektor bei der Aachen-Leipziger, später Allianz-Versicherung in Frankfurt: Er hat ganz, ganz viel zu erzählen, von der Geschichte Eichelsachsens, die über mehr als acht Jahrhunderte zurückreicht, ebenso wie von den neun Jahrzehnten, die er selbst erlebt hat. Etwa als Bub in der Alten Schule oder von seiner Zeit in der "Knolle-Akademie", der "Ackerbau-Schule" in Schotten. Bei jeder Begegnung mit dem 92-Jährigen,
ist es ihm anzumerken, dass er sich freut, sein Wissen aus der Historie, aber auch Erzählungen aus der Geschichte seiner Familie weitergeben zu können.
Beim "offenen Dorf Eichelsachsen" trifft man Erwin Hirtz um 13.30 Uhr - und bestimmt noch später - zwischen "Owe Peffesch" und "One Peffesch" am Torborgen in der Forstgartenstraße.