Demokratiekonferenz in Schotten: "Müssen uns einmischen"
"Woher kommen Angst, Hass und Extremismus? Was können wir dagegen tun?" So lauteten die zentralen Fragestellungen einer Demokratiekonferenz, zu der der Unterstützerkreis Schotten gemeinsam mit der Stadt Laubach eingeladen hatte.
Von sw
Die Podiumsteilnehmer der Diskussionsrunde (von links) Leon Kappeller (Vogelsbergschule), Laubachs Stadtverordnetenvorsteher Joachim M. Kühn, Marvin Uhl (Vogelsbergschule), Moderator Stadtverordnetenvorsteher Hans Dieter Herget (Schotten), die Leiterin des Laubach-Kollegs Ellen Reuther und Bürgermeisterin Susanne Schaab. Foto: Weil
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SCHOTTEN - "Woher kommen Angst, Hass und Extremismus? Und was können wir dagegen tun?" So lauteten die zentralen Fragestellungen einer Demokratiekonferenz, zu der der Unterstützerkreis Schotten gemeinsam mit der Stadt Laubach eingeladen hatte.
Zu Beginn der sehr gut besuchten Veranstaltung im Vulkaneum wurde der vom Bundesfamilienministerium geförderte Dokumentationsfilm "Prävention. Wie die Demokratie gerettet werden soll" gezeigt, der im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" entstanden ist. Darin wurden die Präventionsarbeit vor Extremismus und die Stärkung der Demokratie gegenüber zunehmendem Haas und Verrohung thematisiert. Dies sei Aufgabe nicht nur des Staates, sondern jedes Einzelnen und somit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zu Wort kamen neben Experten auch zahlreiche Engagierte und Aussteiger aus der rechtsextremen Szene.
Teilnehmer der Diskussionsrunde, die von Schottens Stadtverordnetenvorsteher Hans Dieter Herget moderiert wurde, waren die beiden Schüler der Vogelsbergschule Leon Kapeller und Marvin Uhl, der Laubacher Stadtverordnetenvorsteher Joachim M. Kühn, Ellen Reuter, Leiterin des Laubach-Kollegs, und Schottens Bürgermeisterin Susanne Schaab.
"Viele meiner Freunde haben ein falsches Bild von der Demokratie. Sie sind zu wenig informiert", meinte Leon Kapeller. "Wir wollen als jüngere Generation einen Beitrag für die Politik leisten", ergänzte Marvin Uhl. Für mehr Gelassenheit und Respekt gegenüber anderen plädierte Joachim Kühn. Ellen Reuther sah es als Aufgabe der Schule an, mit einem lebendigen schulinternen Leben die Demokratie zu erhalten. Der Film habe gezeigt, dass die Menschen Angst hätten. Dagegen anzugehen, das gehe nur im Miteinander. "Wir müssen uns engagieren. Die Meinung darf nicht manipuliert werden", betonte Reuther. Grundlegend für eine Demokratie seien funktionierende Netzwerke, in denen Beziehungen gelebt werden könnten. Dies gelinge im überschaubaren ländlichen Raum besser als in Ballungszentren. Ein Besucher aus Laubach sah ergänzend in menschlichen Kontakten den "Schlüssel für die Energie der Demokratie".
Bürgermeisterin Susanne Schaab berichtete aus ihrer Arbeit, bei der sie "täglich mit Demokratie-Problemen konfrontiert" werde. "Als 2015 die Flüchtlinge nach Schotten kamen, haben wir das Glück gehabt, über ein ausgezeichnetes Netzwerk an Helfern zu verfügen, die sich um die Menschen gekümmert haben", sagte Schaab. Nach Meinung Hans Dieter Hergets beginnt die Demokratie schon im Kleinen, in der Kommune vor Ort. "Wir müssen uns einmischen. Wir müssen etwas bewegen wollen. Das ist ganz wichtig."
Sein Laubacher Kollege maß dem demokratischen Rechtsstaat einen hohen Stellenwert bei. Zudem müssten die durch Mehrheitsentscheidungen zustande gekommenen Entscheidungsprozesse für die Menschen transparent gemacht werden. "Das ist eine schwierige Aufgabe für die auf kommunaler Ebene in der Regel ehrenamtlich arbeitenden Politiker."
Thema waren auch extrem beleidigende Äußerungen gegenüber prominenten Politikern. Kein Verständnis zeigten die Besucher für das Urteil des Berliner Landgerichtes zu einer solchen Äußerung gegenüber der Grünen-Politikern Renate Künast. "Mir fällt es schwer, noch an Demokratie zu glauben, wenn solche Äußerungen toleriert werden", wandte Erich Gebhardt aus den Reihen der Zuhörer ein.
Stadtverordnetenvorsteher Kühn wollte von den beiden Schülern wissen, wie sie die sogenannten sozialen Medien einschätzen. Leon Kapeller betonte, zum einen seien sie sehr sinnvoll, weil sie die direkte und einfache Kommunikation mit vielen Menschen ermöglichten, andererseits bestünden immer gewisse Gefahren bis hin zum Mobbing. Nicht zu tolerieren sei es, wenn die Menschwürde herabgesetzt werde, so Marvin Uhl. Das Internet berge die Gefahr, dass jeder in einer eigene Filterblase lebe. "Hier muss Prävention ansetzen, um das zu verhindern", so der Schüler.
Über seine schlechten Erfahrungen berichtete der Laubacher Stadtverordnete Hartmut Röschen. "Die Politik hat bei vielen Menschen einen schlechten Ruf." Er habe in einer großen Facebook-Gruppe in Laubach mit überwiegend jüngeren Menschen eine falsche Aussage zur örtlichen Politik richtigstellen wollen und sei daraufhin aus der Gruppe ausgeschlossen worden. Röschen bemängelte die unpolitische Haltung vieler Bevölkerungsteile. "Konsens statt Contra ist gefragt." Aber gerade die Demokratie lebe von der Auseinandersetzung. "Zur Demokratie gehört Streit, ohne Streit keine Demokratie", so Röschen.
Ein Besucher der Veranstaltung sah als Grund für Politikverdrossenheit das Verhalten vieler Akteure auf hoher politischer Ebene. "Die Menschen glauben, dass viele Dinge hinter verschlossenen Türen abgesprochen werden. Sie glauben nicht mehr an Demokratie."
Ein weiterer wichtiger Punkt der Diskussion war die Frage, wie man mit Menschen umgehen soll, die extreme Meinungen vertreten, zum Beispiel in eine Stammtischrunde. "Wie verhalte ich mich bei eine Familienfeier?", fragte Hans Dirter Herget. "Soll ich nachhaken, wenn jemand eine extreme Meinung vertritt, oder soll ich dies unter den Tisch fallen lassen?" Vom Meiden und Ausgrenzen der betreffenden Personen bis Respekt haben auch vor extremen Meinungspositionen reichten hier die Äußerungen. Bürgermeisterin Schaab plädierte für einen "strengeren Diskurs", wenn die Meinungsfreiheit durch rassistische Äußerungen missbraucht werde. "Die Gesetze reichen nicht", so Schaab.
Randgruppen sollte man allerdings nicht generell abdrängen. Besser sei es, bei Ängsten mit den Betroffenen zu sprechen. Abgrenzung nähre dagegen extreme Positionen. Für Schulleiterin Reuther bedeutet Demokratie auch, "neugierig zu sein auf andere Menschen, denen ich begegne." Hier habe die Schule eine besondere Aufgabe. "Sie soll die Neugier auf Begegnungen und Gespräche fördern".
"Im Gespräch bleiben" sei ein möglicher Weg, so Andreas Drinkuth vom Schottener Unterstützerkreis. Das sei bei extremen Meinungen nicht einfach. Mit Blick auf Flüchtlinge müsse man die kulturellen Unterschiede bedenken. "Wie können wir mit unserem Demokratieverständnis mit Menschen aus anderen Kulturkreisen mit einem anderen Verständnis des Zusammenlebens ins Gespräch kommen?", fragte Drinkuth.
Peter Zeschky aus dem Besucherkreis merkte an, Deutschland gehe es so gut wie noch nie, trotzdem hätten die Menschen Frust. "Vielleicht sollte man viel mehr auf gute Nachrichten schauen", gab eine Besucherin einen Tipp. Abschließend informierte Jutta Kneißel, dass der Unterstützerkreis die Veranstaltungsreihe fortsetzen werde.