Drei Männer, denen eine Klang- und Bildreise zu berühmten Orgeln zu danken war: v.l. Pfarrer Udo Heuermann, Kiwon Lee und Erwin Mengel. Foto: Maresch
( Foto: Maresch)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
SCHOTTEN - (em). Reine Orgelmusik lockt oft nur einen überschaubaren Zuhörerkreis an, aber zu dieser ausdrücklich als Haus-Orgelkonzert überschriebenen Veranstaltung kamen mehr als 50 Zuhörer in das Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Einen „Abend für viele Sinne, so als säßen Sie mitten in einer Kathedrale“ versprach Pfarrer Udo Heuermann. Besonders hieß er Adolphe Kreuser willkommen. Der leidenschaftliche Orgelfreund hatte noch im Ruhestand das Orgelspiel erlernt und sich neben einer guten Hausorgel auch innovative Tontechnik angeschafft. Dank besonderer Samples kann mit dem virtuellen Klang berühmter Orgeln Europas gespielt werden, selbst spezielle Nachhalleffekte oder leise Nebengeräusche, etwa beim Registrieren, machen die Klangmischung authentisch. Seit einer Erkrankung kann Kreuser nicht mehr spielen, aber seine Orgel ist damit nicht für immer stumm. Dankenswerterweise wurde sie der evangelischen Kirchengemeinde zur Verfügung gestellt. So konnte dieses Benefizkonzert zur Sanierung des Kirchturms stattfinden.
Edle Orgeln, Werke von Komponisten, die selbst Orgelvirtuosen waren oder sind – für dieses Programm war ein Spieler gefragt, der selbst über meisterliche Spieltechnik verfügt. Ihn fand man in Dekanatskantor Kiwon Lee. Aber selbst er gab zu: „Ich habe die ganze Woche jeweils vier Stunden am Tag geübt.“ Aristide Cavaillé-Col baute im 19. Jahrhundert die Orgel für die romanische Kathedrale St. Etienne in Caen, von Lee als „typisch für den französischen Orgelbau jener Zeit mit einem einzigartigen fundamentreichen Klang“ vorgestellt. Mit diesem Sample spielte Lee den Choral Nr. 2 h-moll aus „Trois chorals pour grande orgue“ von César Franck, ein majestätisches, auf Nachhall setzendes Werk, das aber auch liedhafte feinere Passagen aufwies. Michael Duchardt, in der Schottener Kirchenmusik aktiv, hatte Bilder der Kirchen und ihrer Orgeln heruntergeladen, Erwin Mengel hatte diese zu einer Bildpräsentation zusammengestellt. So hatten die Zuhörer tatsächlich die Chance einer Klang- und Bildreise. Weitaus bescheidener ist die Old Independent Church im englischen Haverhill und doch bekam sie dank der Spende eines Millionärs zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine hochwertige, ebenfalls romantisch-orchestral intonierte Orgel von James Jepson Binns. Schon die Namen mancher Register wie „Waldflöte“ und „Lieblich Gedackt“ seien ein Hinweis auf das hohe Niveau des deutschen Orgelbaus jener Zeit, aus dem Binns sich Anregungen holte, meinte Lee. Er spielte eine Jazz-Partita des Komponisten Peter Wintrich, geboren 1959, in drei Sätzen, ein Werk mit vitalen Rhythmen. Lee: „Der Komponist verbindet klassische Formen mit Elementen der Popularmusik.“ Besonders beeindruckend war die Verbindung der nächsten Komposition, der Toccata „Schlafes Bruder“ von Enjott Schneider, geboren 1950, mit Szenen aus der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Robert Schneider: Ein leidenschaftlicher junger Orgelspieler, absoluter Seiteneinsteiger aus einem armen Gebirgsdorf, kann zufällig an der großen Orgel des Feldberger Doms spielen und tut dies in ekstatischer Leidenschaft. Die Toccata spielte Lee auf dem Sample der groß ausgelegten Walker-Orgel mit 75 Registern in der St. Martini Kerk im niederländischen Dordrecht, 1914 bis 1916 erbaut.
Wie zu erwarten, erwies sich Enjott Schneiders Komposition als eruptives Werk mit einer reichen Polyphonie. 1775, noch kurz vor der Französischen Revolution, wurde die Isnard-Orgel in der Basilika St. Marie-Madeleine in St. Maximin eingebaut. Lee spielte hier die „Messe des Huictisième Ton“ des barocken Komponisten André Raison und konnte in den 13 gespielten Sätzen des weit umfangreicheren Werkes viele technische Finessen dieser Orgel aufzeigen. „Das war bestimmt nicht das letzte Hauskonzert hier“ meinte Pfarrer Heuermann nach dem begeisterten Beifall der Zuhörer.
Im folgenden Gottesdienst gab es eine szenische Darbietung aus dem Leben der Katharina Luther mit Ruth Wagner und Musik von Ursula Enke.