Es gibt zwei interessierte Investoren, die in Freiensteinau ein Ärztehaus errichten und vermieten wollen. Der Betrieb an den Standorten in Freiensteinau und Grebenhain ist mittlerweile gut angelaufen.
Von Oliver Hack und Carsten Eigner
Ein möglicher MVZ-Praxis-Neubau könnte entweder im Gewerbegebiet im Südend....
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FREIENSTEINAU - Lange Zeit war es nur ein Projekt, jetzt ist es in der Wirklichkeit angekommen: das interkommunale Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Vogelsbergkreis mit seinen beiden Standorten in Freiensteinau und Grebenhain. Vor etwas mehr als einer Woche, am 6. Januar, öffnete das MVZ seine Türen für die Patientinnen und Patienten in den zwei Gemeinden im südöstlichen Vogelsberg.
Offiziell begann der Start ins neue Zeitalter der medizinischen Versorgung in der Region bereits zu Beginn des neuen Jahres. Dass der reguläre Betrieb erst eine knappe Woche später aufgenommen werden konnte, ist dem Umstand geschuldet, dass zunächst einmal das Personal im MVZ im Umgang mit der neuen Praxissoftware geschult werden musste. "Dies war unumgänglich, da die beiden Praxen unterschiedliche Software genutzt hatten", erklärt Ulf Werner. Der 50-jährige ist Geschäftsführer der MVZ Vogelsberg gGmbH und zugleich Projektmanager der Hamburger Firma OptiMedis AG, welche für die Geschäftsführung des MVZ zuständig ist.
Zumindest am Standort in Freiensteinau mussten sich die Patientinnen und Patienten zum Start des MVZ nicht an neue Gesichter gewöhnen. Denn hier sind weiterhin die bisherigen Hausärztinnen und Hausärzte für sie da. Bereits seit 2006 praktiziert der 65-jährige Dr. Andreas Böhme mit dem Schwerpunkt Chiropraktik in Freiensteinau. Und seit fünf Jahren ist die 46-jährige Dr. Viola Aulbach als Fachärztin für Innere Medizin im Blauen Eck tätig, mit einem Schwerpunkt in der Diabetologie - einem Fachgebiet, dem auch aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung große Bedeutung zukommt, denn von der Volkskrankheit Diabetes ist mittlerweile jede(r) zehnte Deutsche betroffen.
Ein möglicher MVZ-Praxis-Neubau könnte entweder im Gewerbegebiet im Südend....
...oder am Nordend von Freiensteinau entstehen. Fotos: Stock
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Die Adresse der Arztpraxis in der Steinauer Straße in Freiensteinau bleibt übrigens die gleiche wie bisher - noch jedenfalls. Denn die Räumlichkeiten befinden sich in einem Privathaus und sind auch von ihrem räumlichen Angebot und dem baulichen Zustand her keine dauerhafte Lösung für einen zweckmäßigen und wirtschaftlichen Praxisbetrieb. "Wir müssen schnellstens neue Räume haben", meint auch Dr. Jens Mischak, Gesundheitsdezernent des Vogelsbergkreises und zugleich Aufsichtsratsvorsitzender beim MVZ.
Wer bekommt den Zuschlag?
Man sei daher auf der Suche nach weiteren Ärzten, denen man natürlich eine zeitgemäße und moderne Ausstattung und Räumlichkeiten bieten wolle. Neben Überlegungen für einen Anbau an der Grebenhainer Praxis ist auch der Neubau eines Ärztehauses in Freiensteinau geplant. Bislang gibt es für dieses Vorhaben zwei Interessenten, die das Projekt auf eigene Rechnung entwickeln wollen, um dann an die MVZ GmbH zu vermieten: Zum einen die Freiensteinauer GaBi-Projekt GmbH und zum anderen die Volksbank Lauterbach-Schlitz. Noch gibt es laut dem Aufsichtsratsvorsitzenden der MVZ GmbH und Ersten Kreisbeigeordneten Dr. Jens Mischak weder Baupläne noch einen Standort. Man wolle aber möglichst zügig in Freiensteinau vorankommen und bis Ende 2021/Anfang 2022 die neuen Räumlichkeiten zur Verfügung haben. "Die beiden Konzepte liegen vor, nun muss noch die Gemeinde mitteilen, welche Lösung sie favorisiert hinsichtlich des Standorts. Wir hoffen auf eine schnelle Entscheidung", so Mischak.
Freiensteinaus Bürgermeister Sascha Spielberger zeigt sich zuversichtlich, dass in den nächsten Tagen eine Entscheidung fällt. Ein Neubau sei jedenfalls "unerlässlich", so der Rathauschef, da man eine "effektive Struktur für die Praxisorganisation und hochwertige Arbeitsmöglichkeiten" bieten wolle. Beides sei weder in den geprüften Bestandsimmobilien, noch in dem seit eineinhalb Jahren genutzten Provisorium möglich. Die seitens der Gemeinde angeführten Voraussetzungen, wie Erweiterungsmöglichkeiten, Einbettung ins örtliche Umfeld und ausreichend Parkmöglichkeiten sieht Spielberger von beiden Interessenten gut berücksichtigt. Ein solcher Neubau könne jedenfalls ohne aufwendiges Bauleitverfahren umgesetzt werden.
GaBi-Geschäftsführer Christian Bien bestätigt das Interesse an dem Vorhaben, möchte aber zum derzeitigen Stand der Dinge noch keine weiteren Details bekannt geben. Das Unternehmen sei dabei, dass ehemalige Stabernack-Gelände am nördlichen Ortsausgang von Freiensteinau zu vermarkten. Ein weiteres potenziell geeignetes Grundstück befindet sich im Gewerbegebiet am südlichen Ende des Ortes, das sich im Eigentum der Gemeinde befindet. Hier könnte möglicherweise die Volksbank Lauterbach-Schlitz, der weitere mögliche Investor, baulich tätig werden, die ebenfalls ihr Interesse bestätigt. Deren Vorstandsvorsitzender Norbert Lautenschläger bestätigt, dass die Bank Gespräche mit Kreis und Kommune führt. "Wir haben ein Angebot abgegeben und schauen uns generell alles an, was eine nachhaltige Rendite erwirtschaften könnte", erklärte Lautenschläger gegenüber unserer Zeitung.
"Wir brauchen da keine Cashcow, sondern wollen mit unserem Investment die Region fördern", so der Volksbank-Vorstand. Für ein bauliches Konzept, das offen für mögliche Erweiterungen ist, plädiert auch MVZ-Geschäftsführer Werner. Er hoffe, dass bis Februar eine Entscheidung für einen der beiden Interessenten fällt. Ob dann künftig übrigens auch andere Ärzte anderer Fachrichtungen nach Freiensteinau/Grebenhain kommen, sei noch offen. Bislang habe man eine Genehmigung nur für Allgemeinmediziner, erklärt Mischak.
Neue Ärztin in Grebenhain
Am zweiten Standort des MVZ gibt es mit der im vergangenen Jahr fertiggestellten "Wohn- und Gesundheitsmitte" im Ortszentrum von Grebenhain, auf dem Gelände des früheren Edeka-Marktes, diesen modernen Neubau bereits. Auch sonst ist hier alles neu. Wo über Jahrzehnte hinweg die vertrauten Wege zu den Hausarztpraxen Dr. Lipp (später Dr. Mißler) im Kernortsteil oder Dr. Fischbach in Crainfeld führten, gibt es mit Stephanie Darmstadt eine neue Ansprechpartnerin. Die 37-jährige Fachärztin für Allgemeinmedizin war bis zum Jahresende in einer Hausarztpraxis in Schlüchtern im Main-Kinzig-Kreis tätig. Mitte Februar soll dann ein weiterer Facharzt für Allgemeinmedizin im Alter von Anfang 50 das dortige Team des MVZ verstärken. Zu diesem zählen auch die von den vorherigen Hausarztpraxen übernommenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Ganz bruchlos, ganz ohne Bürokratie, verläuft der Übergang von den gewohnten Hausarztpraxen zum MVZ aus der Patientenperspektive nicht. Denn das MVZ Vogelsberg stellt rechtlich eine Neugründung dar und nicht etwa eine bloße Fortsetzung der bisherigen Arztpraxen. Aus diesem Grund musste und muss jede Patientin, beziehungsweise jeder Patient noch vor der ersten Behandlung oder dem Ausstellen eines Rezeptes einige Formalitäten erledigen. Dazu gehören das Einlesen der Versichertenkarte und das Ausfüllen einer Patienteneinwilligung. "Daher sollten Patienten derzeit etwas Geduld mitbringen", bittet Ulf Werner bei den im MVZ Hilfe- und Ratsuchenden um Verständnis.
Und Geduld war in dieser Anlaufphase des MVZ durchaus angebracht, denn die neue Einrichtung hat in ihren ersten Tagen durchaus so etwas wie einen Run verzeichnet, der aber nicht überraschend kommt. "Es gab seit der Öffnung ein höheres Patientenaufkommen, das sicherlich auch auf die Jahreszeit und das Ende der Winterpause zurückgeht und insbesondere in Grebenhain auch auf die Schließung der Gemeinschaftspraxis in Crainfeld zurückzuführen ist", führt Ulf Werner hierzu mehrere Gründe an.
Die Befürchtung, als Patientin oder Patient nicht aufgenommen zu werden, muss niemand haben - das versichert der Geschäftsführer des MVZ. "Es werden alle Patientinnen und Patienten behandelt, die medizinisch versorgt werden müssen", so Werner. Das Praxispersonal und die Ärzte entschieden darüber, mit welcher Dringlichkeit ein Patient behandelt werden müsse. Patienten sollten aber abwägen, ob ein Praxisbesuch derzeit nötig sei oder gegebenenfalls auch später erfolgen könne.
Sollte jemand trotz Schmerzen oder Erkrankung kurzfristig keinen Termin erhalten, könne er sich auch an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung unter den Telefonnummern 116-117 oder im Internet unter www.116117.de wenden. Die Terminservicestelle vermittele freie Arzttermine in der Region. Montags, dienstags und donnerstags ab 19 Uhr und mittwochs und freitags ab 14 Uhr stünde den Patientinnen und Patienten auch der Ärztliche Bereitschaftsdienst in Lauterbach und Schlüchtern zur Verfügung. In Notfällen sollten sich Patientinnen und Patienten an die bekannte Telefonnummer 112 wenden.