Nicht warten, sondern den Traum verwirklichen

Der Bericht im Kreis-Anzeiger über den sechstägigen Tiny House-Workshop in Bellmuth hat Wellen geschlagen. Nun ist Zeit für ein Resümee: Wie weit sind die Macher gekommen?
Nach den sechs Tagen Tiny House-Workshop in Bellmuth stehen drei Wände auf der Bodenplatte. Die Zeit fürs Erklären, Einweisen und Bauen war zu knapp bemessen. Im Gespräch mit dem Kreis-Anzeiger erzählen ein sichtlich erschöpfter Marek Hirnich und Heike Dietz, für die das Tiny House gebaut wird, von ihren Erfahrungen.
Wie lautet Ihr Resümee nach sechs Tagen?
Marek Hirnich: Es war der erste Workshop und mehr als eine Vollzeitbeschäftigung. Es ist super gelaufen, ich finde unser Konzept noch immer sehr interessant, weiß aber auch, dass ich etwas verändern muss.
Was müssen Sie verändern?
Marek Hirnich: Beim nächsten Workshop würde ich die Messlatte nicht so hoch ansetzen, genauer kalkulieren, Puffer einplanen und bei bestimmten Themen mehr ins Detail gehen. Es war ein Lernprozess. In dem Moment, in dem man etwas vorgibt, werden Erwartungen gesetzt, die man erfüllt bekommen möchte. Wir hatten mit dem Team großes Glück.
Künftig werde ich aber klarer definieren, was gebaut wird. Und wenn es vier Tage für die Bodenplatte sind, dann weiß jeder, woran er ist.
Was ist gut gelaufen?
Marek Hirnich: Nachdem die Bodenplatte fertig war, wurde es einfacher und wir hatten viel Spaß, als wir die erste Wand provisorisch für den Besuch der FFH-Reporter aufstellten. Zum ersten Mal entstand das Gefühl der Räumlichkeit. Da hat alles gepasst und wir haben Meter gemacht.
Heike Dietz: Unglaublich schön war es, als so viele Nachbarn dabei halfen, die Bodenplatte umzudrehen.
Vermutlich waren auch sie neugierig.
Marek Hirnich: Die hatten große Lust, ein Teil von uns zu sein. Die Resonanz war überwältigend. Wir hatten viele Anrufer, die uns gezielt mit Fragen bombardierten. Andere kamen einfach vorbei und dachten, sie könnten hier einer Art Challenge beiwohnen. Es gab ältere Damen, die schauten, wie die Frauen mit dem Akku-Bohrschrauber umgehen, ein Pärchen, das erzählte, dass sie sich eine Erdhöhle eingerichtet hatten, und ein 84-Jähriger, der mehrmals kam und sagte: »Wenn ich noch jünger wäre, wäre das genau mein Ding.« In Bellmuth passierte etwas nicht Alltägliches in einer Gemeinschaft. Das Projekt brachte Gewohntes und Ungewohntes und Leute, die sonst nichts miteinander zu tun haben, zusammen. Man hatte ein gemeinsames Thema und stellte dabei fest, dass man trotz vorheriger Vorurteile miteinander reden kann.
Was haben die Teilnehmer mit nach Hause genommen?
Heike Dietz: Zum Beispiel wie viel Genauigkeit es braucht, um eine Bodenplatte zu verschrauben oder ein Holzständerbauwerk aufzustellen. Wir bekamen einen Einblick in das Material, die Handgriffe und die Dimension, was man alles für den Bau benötigt. Auch, welches Werkzeug da sein muss. Wir Teilnehmerinnen erhielten noch ein Handout mit den Vorarbeiten und Plänen.
Wie ernst ist es den Teilnehmern, sich ein Tiny House zuzulegen?
Heike Dietz: Genau genommen waren es eineinhalb Personen, die bereits mit der Idee hierher kamen. Wann und mit wem, war allerdings noch offen. Eine Frau war leider gesundheitlich angeschlagen, musste wegen Rückenschmerzen vorzeitig abbrechen. Für sie bietet es sich an, eines in Auftrag zu geben.
Auf was sollten Leute, die ein Tiny House in Auftrag geben oder kaufen, achten?
Heike Dietz: Eine der ersten Fragen ist: Brauche ich wirklich einen fahrbaren Untersatz? Wie oft wird das Tiny House seinen Standort wechseln? Wichtig ist auch eine realistische Fläche. Reichen mir knapp 20 Quadratmeter oder ist es nicht vielleicht der 40 Quadratmeter kleine Bungalow? Will ich den komplett offiziellen Weg gehen und dadurch aber auch riskieren, dass ich durch die Bauvorschriften dann ausgebremst werde? Diese sind ja eine krasse Hürde. Man hört sehr oft, dass Leute drei, vier Jahre auf eine Baugenehmigung gewartet haben.
Marek Hirnich: Auch das Material ist wichtig: Entscheide ich mich für eine ökologische Bauweise, kann das auch bedeuten, auf gewisse, nicht nachhaltige Dinge zu verzichten.
Der Gedanke, dass wir mit dem Workshop etwas in Gang setzen, tut gut. Bei den alternativen Wohnformen ist überhaupt viel Bewegung drin. Ich finde, man sollte sich nicht von der Gesetzeslage stoppen lassen und einfach sagen: Ich baue das jetzt, ich schaffe das, ich sammle genug Nerven und Energie sowie Geld, um an mein Ziel zu gelangen. Es braucht nur viele Menschen, um etwas zu bewegen.
Ist während des Workshops darüber gesprochen worden, dass ein Tiny House vor dem Gesetz als normales Haus gilt und man sich eigentlich zunächst um einen Standplatz kümmern sollte, bevor es an den Bau geht?
Marek Hirnich: Das war auf jeden Fall Thema. Viele Gespräche drehten sich um die Frage, auf welche Grundstücke man es stellen darf.
Frau Dietz, was schätzten Sie an dem Workshop in Bellmuth besonders?
Heike Dietz: Für mich war das Projekt deswegen so interessant, weil nichts vorgegeben war. Ich liebe es, Neues zu entwickeln. Mit Marek und Christina Rudolph, der Architektin, hatte ich die Chance, meinen eigenen Entwurf zu verwirklichen. Es war für uns alle Pionierarbeit. Für andere ist das Konzept vielleicht zu lose. Hier hat es gepasst.
Sie haben vorher schon Wohnerfahrungen gesammelt, wollen ab Frühjahr in Ihrem neuen, knapp 18 Quadratmeter kleinen Tiny House leben. Wie wird sich Ihr Leben ändern?
Heike Dietz: Ich werde Abstriche beim Komfort machen. Die Dusche ist nicht das Einzige, was in meinem Häuschen fehlt. Man braucht mehr Hilfe von anderen und vernetzt sich besser. Die Tür des einzigen Zimmers führt nach draußen, demnach wird sich mit Sicherheit mehr im Freien abspielen. Vielleicht putze ich meine Zähne unter freiem Himmel oder stehe unterm Sternenhimmel.
Oder im Regen…
Heike Dietz: Ja, vielleicht auch das. Auf jeden Fall wird sich die Geräuschkulisse verändern. Ich werde von meinem Bett aus das Vogelgezwitscher oder das Trommeln des Regens auf meinem Dach hören.
Marek Hirnich: Man schaut sich so oft die schönen Bilder auf Pinterest oder in tollen Zeitschriften an. Viele träumen von einer anderen Wohnform. Auch wenn es in diesem Moment weit weg scheint - es ist greifbar. Selbst wenn das Tiny House 25 000 Euro gekostet hätte, ist das im Vergleich zu vielen anderen Ausgaben für Autoleasing oder anderes wenig. Schon zu träumen macht glücklich. Doch man kann sich auch den Traum vom Tiny House erfüllen.
Wie geht es weiter?
Heike Dietz: Im Dezember kommen wir wieder zusammen. Das Bauen in Etappen hat auch einen Vorteil, weil sich die Ideen weiterentwickeln. Wir kreisen um den Plan der Architektin. Doch jetzt stehe ich in dem Häuschen und spüre vielleicht, dass der Durchgang doch etwas zu eng ist und wir ihn noch verändern sollten. Wenn die Außenhülle und das Dach fertig sind, kommt der große Moment: Es geht auf die Waage.
Marek Hirnich: Verschalung Innenverkleidung, Elektrik, Fenstereinbau und der Dachaufbau stehen noch an. Beim nächsten Workshop vom 5. bis 9. Dezember liegt der Schwerpunkt auf der Verschalung. Wer daran interessiert ist, kann sich unter der Rufnummer 0176/45769289 näher informieren.