1. Startseite
  2. Lokales
  3. Ortenberg

Selterser Autorin porträtiert eine ungewöhnliche Frau

Erstellt:

cwo_MUehohlbein_291222_4c
Autorin Astrid Hohlbein aus Selters hat sich seit ihrer Studienzeit mit Franziska zu Reventlow (1871 bis 1918) beschäftigt und eine Biografie über das Leben dieser ungewöhnlichen Frau verfasst. © Ingeborg Schneider

Ein freies, selbstbestimmtes Leben führen, das wollte Franziska zu Reventlow. Und sie hatte Erfolg. Autorin Astrid Hohlbein aus Selters hat diese außergewöhnliche Frau in ihrem neuen Buch porträtiert.

Eine außergewöhnliche Frau ist es, über die Autorin Astrid Hohlbein aus Selters ihr aktuelles Buch geschrieben hat. Die Geschichte der Franziska zu Reventlow (1871 bis 1918) - genannt »Fanny«, »Heidnische Heilige«, »Madonna mit dem Kinde« oder einfach »Die Münchner Gräfin« - beschäftigt Hohlbein seit ihrem Studium der Germanistik, Älteren Skandinavistik und Sozialpsychologie in den 90er Jahren. Bereits ihre Magisterarbeit widmete sie der Frau, die als Ikone der Münchner Bohème ein freies, selbstbestimmtes Leben führte. Jetzt veröffentlichte sie unter dem Titel »Das Unmögliche wollen. Freiheit und Liebe bei Franziska zu Reventlow« ein Buch, das sie am Samstag, 14. Januar, um 19 Uhr, in der Glauberger Mühle in einer Lesung vorstellt.

Moralische Enge des Kaiserreichs

»Sie ist in der moralischen Enge des Kaiserreichs aufgewachsen und hat zugleich die Stimmung des Aufbruchs um die Jahrhundertwende genutzt, um eigenständige Wege der Liebe, des kreativen Schaffens, der Mutterschaft, der Wohnformen und der Selbstinszenierung zu suchen«, berichtet Astrid Hohlbein über ihre Protagonistin. Schon im Vorfeld zu ihrer Magisterarbeit hat sie Biografien über Franziska zu Reventlow gesichtet, ist zu Recherchezwecken auf den Spuren der freiheitsliebenden Frau gewandelt. »Viele Biografien schildern die Münchner Gräfin als viel zu brave, angepasste Frau«, stellt Hohlbein fest. »Mir kommt es darauf an, ihre Leidenschaft, ihre Erotik und ihre wechselnden Beziehungen darzustellen, die sie zu einer frühen Symbolfigur sexueller Befreiung werden ließen.« Und sie zitiert aus Werken und Briefen der adeligen Autorin, die lieber Malerin geworden wäre und sich dem Schreiben nur zum Broterwerb widmete: »Ich liebe einen und begehre sechs andere, einen nach dem andern. Mich reizt nur gerade der Wechsel. Fühle mich ganz als ich selbst, wenn alles durcheinandergeht, Wehmut, Sehnsucht, tiefe Liebe und frivole Oberflächlichkeiten.«

Die Geschichte und die inspirierenden Visionen der Franziska zu Reventlow seien die langjährige Arbeit an ihrem Buch allemal wert gewesen, unterstreicht Astrid Hohlbein. Sie selbst ist in Windecken groß geworden und hat 51 Jahre ihres Lebens in der Meisterwohnung der ehemaligen Strickwarenfabrik gelebt, die ihr Großvater und ihre Eltern begründeten. Während die Familie väterlicherseits aus Heyerode in Thüringen stammte, kam Astrid Hohlbeins Mutter aus Bönstadt in der Wetterau.

Interesse am Objekt entwickelt sich

Nach ihrem Studium an der Frankfurter Goethe-Universität war die Germanistin unter anderem als Hausverwalterin und in Hanau als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache in Alphabetisierungs- und Integrationskursen tätig. Kontakte zur Universität und dort speziell zum Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Heiner Boehncke ließen ihr Interesse an berühmten und weniger bekannten Autorinnen und Autoren neu und verstärkt erwachen. Die Gründung des Vereins Literaturbetrieb und die Entwicklung eigener Literaturspaziergänge in Frankfurt, Hanau und Windecken, teils gemeinsam mit ihrem Mann Marco, waren die Folge. Familiäre Umstände zwangen Astrid Hohlbein 2017, ihr Windecker Elternhaus zu verlassen, heute lebt sie mit ihrem Mann im Ortenberger Stadtteil Selters. »Ich bin keine Großstädterin«, sagt die Autorin, deren Haus mit mehr als 4000 Büchern von ihrer beruflichen Tätigkeit erzählt. Sie liebt den weiten Blick ins Grüne, ist noch immer dabei, das rund 100 Jahre alte Gebäude, das einst die Familie Ungeheuer erbaute, liebevoll zu erneuern und zu erhalten und vermietet inzwischen Zimmer an Pensionsgäste. Nicht nur in ihrer Freizeit ist sie gern auf dem Motorrad unterwegs. Würde sie noch einmal ein Buch schreiben, so würde sich dieses den prägenden Erfahrungen von Krieg und Flucht in ihrer Familie widmen, die sie mit so vielen Nachkriegskindern und -enkeln teilt.

Für die Lesung über Franziska zu Reventlow am Samstag, 14. Januar, in der Glauberger Mühle, verspricht Astrid Hohlbein »eine Kollage aus der Biografie, Texten Franziska zu Reventlows sowie Anekdoten aus ihrem Leben. Zusammengenommen ein anschauliches Bild dieses ungewöhnlichen Lebens, das vom Kampf um Selbstbestimmung geprägt war und sich zum Teil auch in unserer Region, nämlich in der Nähe von Hanau abgespielt hat«.

cwo_MUehohlbein1_291222_4c
Franziska zu Reventlow führte ein bewegtes Leben und war in vielen ihrer Ansichten ihrer Zeit voraus. © pv

Auch interessant