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Neuer Pächter für Staatsdomäne Konradsdorf

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Der gut sortierte Hofladen Kleeblatt wird wahrscheinlich auch nach dem Pächterwechsel in Betrieb bleiben. © Klaus Nissen

Das Land lässt den 30 Jahre alten Pachtvertrag mit der Bauernfamilie Keller in Konradsdorf auslaufen. Ab 1. Juli soll ein Landwirt aus Büches den größten Biohof der Wetterau übernehmen.

Der Helmut war ein Schaffer«, sagt einer, der ihn gut kennt. Er redet in der Vergangenheitsform - denn der langjährige Pächter der Staatsdomäne Konradsdorf ist inzwischen 66 Jahre alt. Und Leute im Rentenalter bekommen keine neuen Pachtverträge, die über 18 Jahre laufen.

Der aus Grünberg stammende Landwirt Helmut Keller hat schon in den frühen 90er Jahren verstanden, dass dem Biolandbau die Zukunft gehört. Als er damals den Zuschlag für das Hofgut Konradsdorf bekam, stellte er die 68 Hektar Ackerland und die 47 Hektar Weidefläche gleich auf ökologische Bewirtschaftung um. Zusammen mit seinem eigenen Landbesitz und gepachteten Äckern betreibt Familie Keller nun einen gut 300 Hektar umfassenden Biolandhof - den größten in der Wetterau.

Aber wohl nicht mehr lange. Schon im Februar 2022 stand im Branchenblatt Hessenbauer die Ausschreibung für die Domäne. Zum 1. Juli 2023 suchte die Hessische Landgesellschaft neue Pächter für das Areal zwischen Selters, Effolderbach und Ranstadt. Der Vertrag schreibt keine ökologische Bewirtschaftung vor.

Zahl der Bio-Höfe steigt

Das verwundert, weil das Land mit seiner schwarz-grünen Regierung ausdrücklich den Bio-Landbau gutheißt und auch viel Geld dafür ausgibt - beispielsweise seit 2015 mit Zuschussen für die Modellregion Ökolandbau im Wetteraukreis. »Wir fänden es skandalös«, meint der Ortenberger Grünen-Fraktionschef und NABU-Vorsitzende Dietmar Wäß, »wenn Konradsdorf plötzlich konventionell bewirtschaftet würde.«

Bisher gab es nur gelegentlich eine Rück-Umstellung auf konventionelle Landwirtschaft in der Wetterau, sagt Modellregion-Geschäftsführerin Claudia Zohner. Die Zahl der Biohöfe sei inzwischen auf 72 gewachsen - auf gut ein Zehntel aller landwirtschaftlichen Betriebe im Kreis. Belohnt wird das mit zusätzlichen EU-Direktzahlungen von 260 Euro pro Hektar Bio-Acker und 190 Euro für Öko-Grünland.

Reaktion des Ministeriums

Die Pressestelle der grünen Umweltministerin Priska Hinz kann nicht recht erklären, warum das Land von den Pächtern seiner eigenen 43 Domänen auf 7600 Hektar keinen Biolandbau verlangt. Das verbiete sich aus Datenschutzgründen und Gleichbehandelungs-Grundsätzen, heißt es auf Anfrage. Die Regierung messe der ökologischen Landwirtschaft eine hohe Bedeutung bei. Doch wichtig seien auch die Pachthöhe, die Kapitalausstattung und die Qualifikation der jeweiligen Pächter.

Was wird denn nun aus Konradsdorf? Er habe den Zuschlag für die Domäne bekommen, teilt Peter Michael Karpf auf Anfrage mit. Der 41-Jährige ist bisher und auch weiterhin Pächter des Erbacher Hofes zwischen Büdingen und Büches. Dort hat er nicht weniger als 400 Hektar unter dem Pflug. Die zusätzlichen 118 Hektar bei Konradsdorf will er mit seiner jüngeren Schwester Stefanie bewirtschaften, die in Orleshausen unter dem Namen Feldfrüchte Karpf Hühnereier, Brotaufstriche und im Sommer selbst angebaute Himbeeren, Brombeeren und Erdbeeren verkauft.

Am Erbacher Hof betreibt Familie Karpf weiter konventionelle Landwirtschaft. In Konradsdorf werde man aber weiter nach Bio-Regeln ackern, verspricht Karpf. Er lasse sich dabei von seiner älteren Schwester beraten, die im bayerischen Bad Tölz selber einen Biohof betreibe.

Und das Rindvieh? Helmut Keller und seine Lebensgefährtin Silvia Nicht hüten in Konradsdorf noch circa 300 Milchkühe, Fleischrinder und Kälber. Der neue Pächter hat in Büches kein Vieh. »Wir bauen in Konradsdorf eine Herde mit Mutterkühen auf«, sagt Peter Michael Karpf nun. Sie wird aber viel kleiner sein als die jetzige. Die staatseigenen 46 Hektar Grünland am Nidderufer jenseits der Salzwiesen von Selters können etwa 50 Rinder ernähren. Das Land dort darf nicht zum Acker umgewandelt werden, weiß Dietmar Wäß. Der neue Pächter braucht die Rinder ohnehin, weil er ihre Ausscheidungen zum Düngen der nach Bio-Kriterien bewirtschafteten Äcker nutzen muss. In dieser Woche will Peter Michael Karpf mit Familie Keller klären, welches lebende und tote Inventar er für wie viel Geld von den bisherigen Pächtern übernimmt.

Zum Inventar gehört auch der Café-Hofladen Kleeblatt, den Helmut Kellers Schwiegertochter Sabine Görnert 2015 mit Zuschüssen aus dem europäischen LEADER-Programm eröffnete. Görnert und ihr Mann, der eigentlich als Konradsdorfer Nachfolger gehandelte Tim Keller, haben ein neues Hofprojekt in Mecklenburg-Vorpommern übernommen. Der Kleeblatt-Bioladen wird nun von Silvia Nicht verwaltet. Was wird daraus?

Hofladen bleibt bestehen

»Wir wollen den Laden weiter betreiben«, sagt Peter Michael Karpf. Die alten Sandsteingebäude des Hofguts will er nicht mehr für die Landwirtschaft nutzen - nur den Laufstall auf der anderen Straßenseite. Auf dem Hof könne er sich noch mehr Einrichtungen vorstellen, die zahlendes Publikum nach Konradsdorf ziehen. Beispielsweise eine Markthalle, in der Selbstvermarkter aus der Region ihre Produkte anbieten. Details stehen aber noch nicht fest.

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Einen Zeitungsfotografen haben die Kälber Klara und Cody noch nie gesehen. © Klaus Nissen

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