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Öffentliche Gewässer ,»ein Ritt auf der Rasierklinge«

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Von: Myriam Lenz

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Die kommunalen Verwaltungen müssen Gefahren an Gewässern beseitigen, gegebenenfalls Teiche abzäunen oder Schilder aufstellen. © pv

Wer muss im Unglücksfall an Gewässern haften? Das ist bald Thema am Landgericht in Marburg. Für die Kommunen bedeutet die Gesetzeslage viel Unsicherheit, wie das Beispiel Nidda zeigt.

Kommende Woche soll ein Berufungsverfahren beim Landgericht Marburg aufgenommen werden. Der ehemalige Bürgermeister der Stadt Neukirchen will ein Urteil von 2020 anfechten. Damals wurde er wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen verurteilt, nachdem 2016 drei Kinder in einem ungesicherten Teich ertrunken waren. Das Unglück und das darauf folgende Urteil hatten in den Rathäusern aufgeschreckt. Sollten die Verwaltungen wirklich dafür verantwortlich gemacht werden?

Neukirchen wirkt überall nach - bundesweit und auch in der Wetterau. Am Beispiel Nidda wird deutlich, welcher Aufwand betrieben werden muss, um einer Rechtssicherheit ein Stück weit näher zu kommen.

In den vergangenen Monaten war Uwe Bonarius, Leiter des Fachbereichs Zentrale Dienste in Nidda, mit der Inspizierung der Niddaer Gewässer in den 18 Stadtteilen beschäftigt. Es gibt Erholungs-, Fisch- und Löschteiche und eine Badestelle, die offiziell keine ist und sich auf privatem Gelände befindet.

Fast alle Löschteiche sind ordentlich eingezäunt und die Tore verschlossen. Dennoch gibt es noch einiges zu tun. In Schwickartshausen werden noch ein Zaunelement und ein Tor ergänzt. In der Kernstadt wird der kleine Teich zwischen Stadtverwaltung und Bürgerhaus nahe eines Spielplatzes bald eingezäunt. Am Paddelteich beim Gymnasium werden demnächst, wie in Ober-Schmitten, am Löschteich Schwickartshausen, einem Fischteich in Wallernhausen und anderen Stellen, Schilder auf die Gefahr hinweisen.

In Wallernhausen werden sogar drei und ein Rettungsring angebracht werden. Auch in Unter-Widdersheim, wo im Rahmen der Dorferneuerung ein Teich entstand, besteht Handlungsbedarf. Dort gibt es auch sumpfige Bereiche. Bonarius: »Da müssten wir eigentlich ein Seil anbringen, damit sich jemand, der dort feststeckt, wieder herausziehen könnte. Einem Kleinkind würde damit jedoch nicht geholfen sein. Da muss man auch an die Verantwortung der Eltern appellieren.« Für Unter-Widdersheim wird in Abstimmung mit der Versicherung nach einer Lösung gesucht.

Die Plätze mussten alle geprüft werden, weisen ganz unterschiedliche Gegebenheiten auf. Der eine hat eine steile Böschung, der andere einen Spielplatz in der Nähe, hier besteht hoher Publikumsverkehr, dort ist ein kleiner Dorftreffpunkt oder eine Schule in der Nähe. Kriterien, die eine objektive Gefährdung bedeuten und an denen sich das Maß der Verkehrssicherungspflicht orientiert.

Das Niddaufer soll in der Innenstadt im Rahmen des ISEK-Förderprogramms erlebbar gemacht werden. Das werde nun zum Problem, sagt Bonarius. Einerseits will man die Familien ans Ufer locken, andererseits darf nichts passieren. Bei hohem Wasserstand, erklärt Bonarius, könne die Strömung der Nidda selbst für einen Erwachsenen gefährlich werden.

Was tun? »Wir haben die Hinweise vom Hessischen Städte- und Gemeindebund und der Versicherung genutzt und die problematischen Stellen nochmals abgestimmt. Doch es bleibt ein Ritt auf der Rasierklinge«, sagt Bonarius.

Neukirchen ist überall. Wobei bereits ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2017 die Kommunen in die Pflicht nimmt. Sinngemäß sagt es aus: Wer an einer Badestelle mit Steg keine Badeaufsicht habe, dem drohen Strafverfahren. Und das gelte nicht nur für den Bürgermeister, sondern auch für die Sachbearbeiter und ehrenamtlichen Kommunalpolitiker. Sie müssten die Verkehrssicherungspflicht und die Aufsichtspflicht gewährleisten und Gefahren bannen. Das heißt, zu bestimmten Zeiten für eine Badeaufsicht sorgen, etwa einen Steg entfernen, eine Badestelle sperren oder Verbotsschilder aufstellen. Die Kommune muss bei einem Unglück nachweisen, dass sie alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat.

Es kommt auf den Einzelfall an

Ab wann reicht ein Schild? Wann muss eingezäunt oder das Baden sogar verboten werden? »Die Crux an der Sache ist, dass es keine spezielle gesetzliche Regelung gibt, die besagt, wie die Sicherheitsvorkehrungen konkret aussehen müssen«, informiert Johannes Heger, Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, auf Anfrage dieser Zeitung. »Es kommt auf den konkreten Einzelfall an, zum Beispiel auf die Einbettung der Teiche, die Wege dorthin, den Steg oder Neigungswinkel.« Grundsätzlich gelte es, die Verkehrssicherungspflicht einzuhalten.

Der Ausgang des Berufungsverfahren wird vermutlich mit großem Interesse verfolgt, könnte nun für etwas Klarheit sorgen.

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