Neu in Nidda: Das mobile Büro im Kino

Arbeiten am Küchentisch oder zwei Stunden täglich in der Blechkolonne in Richtung Frankfurt? Wie praktisch wäre es, wenn es in der Heimatstadt ein flexibles Büro gäbe. Das gibt es ab Montag.
Coworking auf dem Land - kann das funktionieren? Was in Städten selbstverständlich ist, steckt fern der Ballungsgebiete noch in den Kinderschuhen. Die Stadt Nidda geht voran. Im Alten Kino entsteht ab Montag probeweise ein Coworking-Space.
Während im »Hollywood« früher die Schmachtfetzen über die Leinwand flimmerten und Actionhelden die Welt retteten, bietet die Kulisse heute die Möglichkeit, seine eigene Story zu schreiben beziehungsweise sein Business auf etwas ungewohnte Art zu erledigen. Die Nutzung ist in den nächsten drei Monaten kostenlos. Vor Ort gibt es neun attraktive und geschmackvoll eingerichtete Arbeitsplätze, einen Konferenzraum und den schmucken Saal. Die Deko erinnert an das Kino. Ganz wichtig: Im unteren Stockwerk brüht Familie Philipps frisch gerösteten Kaffee auf. Man muss nur noch seinen Laptop auspacken und loslegen.
Platz zum Arbeiten und Veranstalten
Was erwartet ein Nutzer? In zwei kleinen Gruppen tauschten sich die Gäste eines Workshops aus. Konsens war: Die Räume sollten multifunktional und sinnvoll gestaltet sein, es würden Plätze sowohl für leise Akteure als auch für Veranstaltungen benötigt. Vorschläge dafür gibt es genug: Lesungen, Konzerte, Winetastings, für das Repair-Café, zum Heiraten oder vieles mehr.
Die Gruppe verdeutlichte, dass das Interesse an Treffpunkten für Vereine oder andere Institutionen, wie die Arbeiterwohlfahrt, eine Frauenselbsthilfegruppe und andere lokale Initiativen größer ist als das an Arbeitsplätzen. Und so lautete das Fazit des Abends: Dieser Coworking-Space sollte flexibles Arbeiten und Veranstaltungsbühne kombinieren.
In einigen Stadtteilen sind die Treffpunkte begrenzt. »Man geht in der Regel immer nur dahin, wo man Bekannte trifft«, sagt Juli Biemann, die das Community-Management koordiniert und durch den Workshop leitete. Dieser neue Platz steht für zufällige Begegnungen, frische Ideen und den Blick über den Tellerrand.
Dass Coworking auf dem Land funktioniert, zeigen etwa 120 Spaces im deutschen Genossenschaftsgebiet. Auch die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sprechen dafür: Fast 400 000 Menschen pendeln regelmäßig nach Frankfurt. Gegessen, getrunken, eingekauft wird oft um die Ecke, wertvolle Lebenszeit auf der Straße verbracht. »Pendeln war gestern« ist auf einem großen Plakat im Saal zu lesen. Juli Biemann erklärt im Gespräch mit dieser Zeitung: Kommunen stellten ihren Bürgern viel zur Verfügung, etliche von ihnen würden durch das Pendeln jedoch nur in ihrem Ort übernachten. »Coworking-Spaces sind auch Ankerpunkte, von denen zum Beispiel der örtliche Bäcker, der Einzelhandel oder die Gastronomie profitieren können.«
Berufliches und Privates trennen
Weiterer Pluspunkt eines flexiblen Büros: Der Arbeitsplatz zu Hause ist oft mit Platzenge verbunden. Die Geräuschkulisse der Küchenmaschine ist wenig konzentrationsfördernd, das Mixen von Privatem und Beruflichem nicht immer ein Erfolgsrezept.
Die Initialzündung für den Coworking-Space kam von der Wirtschaftsförderung Wetterau, berichtet Pablo Hildebrandt, Fachdienstleiter in der Bauverwaltung für Hochbau, Stadtplanung und Dorfentwicklung. Er informiert über die Historie des Gebäudes. Das 1860 gebaute Haus wurde zunächst als Brauerei genutzt, bevor es 1919 zum Kino umfunktioniert wurde. Das schloss 2012. Dennoch: »Dieser Ort trägt die Funktionen einer Kultur- und Begegnungsstätte in sich.« 2015 kaufte Tim Kabacher die Immobilie. Er möchte etwas schaffen, das es so noch nicht gibt, erklärt er.
Die Veranstaltungen könnten auch dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit des Projektes langfristig zu verbessern und günstige Konditionen zu bieten, weiß Juli Biemann. Die Preise für einen Tag Büronutzung liegen zwischen 15 und 30 Euro, monatlich zwischen 180 und 300 Euro, je nach Stadt und Umfang der Ausstattung. Verschiedene Zeitmodelle sind möglich.
Warum die Stadt das Projekt anstoße, obwohl es nicht die eigene Liegenschaft ist? 90 Prozent der Kosten werden über das Förderprogramm »Zukunft Innenstadt« gedeckt. Hildebrandt: »Dies auszuprobieren, geht nur, wenn die öffentliche Hand den Impuls gibt.« Später muss das Kind laufen lernen. »Bis dahin haben die Nutzer die Möglichkeit, zu testen, wie es sich anfühlt, im Coworking zu arbeiten.« Hildebrandt ist positiv überrascht, wie viele konkrete Ideen von den Teilnehmern kamen.