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Im Dialog mit den Betreuten

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»Wir suchen noch mehr engagierte Bürgerinnen und Bürger als Ehrenamtliche für Aufgaben der gesetzlichen Betreuung«, sagt Marion Grumbrecht, Leiterin des Betreuungsvereins der Diakonie in Nidda. © Elfriede Maresch

Am 1. Januar ist eine umfassende Reform des Betreuungs- und Vormundschaftsrechts in Kraft getreten. Die Hilfe durch gesetzliche Betreuer soll nach dem Grundsatz »Unterstützte Entscheidungsfindung statt Stellvertretung« erfolgen.

Am 1. Januar ist eine umfassende Reform des Betreuungs- und Vormundschaftsrechts in Kraft getreten. Sie will die Qualität der Betreuung stärken, die Hilfe durch gesetzliche Betreuer soll nach dem Grundsatz »Unterstützte Entscheidungsfindung statt Stellvertretung« erfolgen. Mit diesem verstärkten Blick auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Betreuten werden zugleich die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zum »selbstbestimmten Leben in der Mitte der Gesellschaft« umgesetzt. Zudem wurde die Bedeutung der Betreuungsbehörde als koordinierender Stelle gestärkt.

Ein rechtlicher Betreuer wird nur bei einem tatsächlichen Bedarf vom Betreuungsgericht bestellt. Wenn es genügend Hilfen im sozialen Umfeld gibt oder der gebrechliche Mensch einer Vertrauensperson eine Vorsorgevollmacht erteilt hat, ist eine gesonderte Betreuung unnötig.

In Nidda 60 Ehrenamtliche

Vielleicht der wichtigste Punkt der Reform: Der Betreuer muss die Betreuten im regelmäßigen Kontakt bei der rechtlichen Regelung ihrer Angelegenheiten unterstützen. Er soll sich bei Entscheidungen ein Bild davon machen, was dem Willen der Betroffenen entspricht. So soll sichergestellt werden, dass sie ihr Leben im Rahmen des Möglichen und gesetzlich Vorgegebenen nach ihren Wünschen gestalten können.

Ebenso ist das Betreuungsgericht angehalten, bei der Bestellung eines neuen gesetzlichen Betreuers die Wünsche des Betreuten zu berücksichtigen. Klar formuliert sind die Anforderungen an die Berichte, die der Betreuer in vorgegebenen Abständen schreiben soll. Damit ist gesichert, dass das Betreuungsgericht aktuelle Informationen hat und seine Kontrollaufgaben erfüllen kann.

Berufsbetreuer müssen sich bei der Betreuungsbehörde registrieren lassen und brauchen dafür ein polizeiliches Führungszeugnis, eine Auskunft aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis, Sachkundenachweise und die Absicherung durch eine Berufshaftpflichtversicherung.

Wichtig in diesem Arbeitsfeld sind aber auch die ehrenamtlichen Betreuer, die von den drei Betreuungsvereinen in Büdingen, Nidda und Friedberg begleitet werden. Auch sie müssen ein polizeiliches Führungszeugnis und eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis vorlegen und eine Vereinbarung mit einem Betreuungsverein abschließen, sodass ihre Schulung und eine kontinuierliche Fortbildung nach einem Curriculum des Hessischen Justizministeriums gesichert sind.

Bei Betreuern aus dem Familienumfeld ist das zwar freiwillig, trotzdem halten viele gern Kontakt mit den Betreuungsvereinen. Marion Grumbrecht, Leiterin des Vereins im Diakonischen Werk Wetterau in Nidda, berichtet: »Bei uns sind 60 Ehrenamtliche aktiv, aber wir suchen noch mehr engagierte Bürgerinnen und Bürger. Sie werden durch die Hauptamtlichen des Vereins vorbereitet, treffen sich zum regelmäßigen Austausch und dreimal im Jahr zu Weiterbildungen. Sie erhalten eine im Zuge der Reform erhöhte Aufwandsvergütung und sind über das Land Hessen versichert.«

Innerhalb der ersten drei Monate der Betreuung sollen die Ehrenamtlichen im Dialog mit den Klienten einen Hilfeplan und in der Folge ein Netz der erforderlichen Hilfen entwickeln. Jährliche Folgeberichte ans Amtsgericht müssen mit dem Betreuten besprochen werden. Das gilt auch für die Vermögensverwaltung, wenn sie vom Amtsgericht als Teil der Betreuung angeordnet wurde. Der Betreute muss bestätigen, dass die Rechnungslegung korrekt ist. Wenn er das nicht kann, muss der Betreuer eine eidesstattliche Erklärung abgeben - auch das ist eine Neuregelung im Zuge der Reform.

Bedürfnisse und Wünsche beachten

Für den Betreuten kann es eine schwierige Entscheidung sein, seine bisherige Wohnung aufzugeben, wegen wachsender Gebrechlichkeit in eine barrierefreie Wohnung umzuziehen oder gar in eine stationäre Einrichtung zu wechseln. Auch solche Entscheidungen darf der gesetzliche Betreuer nur mit der Zustimmung des Betreuten treffen. Der Wohnungswechsel muss dem Betreuungsgericht unter Angabe der Gründe und der Sichtweise der betreuten Person mitgeteilt werden.

Und wie schätzen Berufsbetreuer die Reform ein? Marion Grumbrecht: »Die rechtlichen Rahmenbedingungen im Bürgerlichen Gesetzbuch sind übersichtlicher beschrieben. Letztlich hat der Gesetzgeber Grundsätze der Zusammenarbeit deutlicher formuliert, die wir auch in der Vergangenheit schon praktiziert haben: den Dialog mit den Betreuten sowie die Beachtung ihrer individuellen Wünsche und Bedürfnisse.«

Erwachsene, die aufgrund körperlicher, seelischer oder geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung ihre Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln können, können über das zuständige Amtsgericht eine rechtliche Betreuung in Anspruch nehmen. Das kann die Interessenvertretung gegenüber Behörden und Institutionen, bei Vermögens- oder Wohnungsangelegenheiten sowie bei Entscheidungen im gesundheitlichen Bereich umfassen. Mit der Reform des Betreuungs- und Vormundschaftsrechtes, der größten in diesem Themenfeld seit der Einführung 1992, sollen die Selbstbestimmung der betreuten Menschen und die Qualität der Betreuung gestärkt werden. Wer sich für die Aufgabe der gesetzlichen Betreuung im Ehrenamt interessiert, kann zum Betreuungsverein Nidda unter der Rufnummer 0 60 43/51 99 474 oder per E-Mail an betreuungsverein@betreuung-diakonie-wetterau.de Kontakt aufnehmen. Der Betreuungsverein Büdingen ist unter 0 60 42/39 22 erreichbar, der Betreuungsverein Friedberg unter 0 60 31/18 63 3 oder per E-Mail an info@betreuungsverein-friedberg.de. VON ELFRIEDE MARESCH

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