Lungenkrebs wird in der Wetterau intensiv und interdisziplinär bekämpft

Am heutigen Weltkrebstag steht an dieser Stelle der Lungenkrebs, das hierzulande tödlichste Karzinom, im Fokus. Es geht um die oft zufällige Diagnose, mögliche Behandlungen und die große Gefahr durch das Rauchen.
An Lungenkrebs zu erkranken oder nicht, das haben die meisten Menschen weitgehend selbst in der Hand: Lässt man die Finger von Zigaretten, senkt man das Risiko enorm. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) ist der Lungenkrebs mit weit über 50 000 Neuerkrankungen jährlich derzeit die dritthäufigste Krebsart in Deutschland, dabei aber prognostisch gesehen die tödlichste mit etwa 35 000 Todesfällen pro Jahr. Etwa 90 Prozent aller Fälle gehen laut RKI auf Zigarettenkonsum zurück.
Gründe genug, um am heutigen Weltkrebstag hier den Fokus auf dieses Karzinom zu richten. Zumal es in der Wetterau intensiv und interdisziplinär bekämpft wird. An der Bad Nauheimer Kerckhoff-Klinik operieren Privatdozent Stefan Guth, Direktor der Abteilung Thoraxchirurgie, und sein Team pro Jahr etwa 125 Lungenkrebs-Patienten. Diese Zeitung hat mit ihm und mit dem Ärztlichen Geschäftsführer der Klinik und Direktor der Abteilung Allgemeine Pneumologie, Prof. Hossein-Ardeschir Ghofrani, gesprochen.
»Meistens ist es ein Zufallsbefund«, sagt Ghofrani über die Diagnose. Der Lungenkrebs mache sich oft erst im fortgeschrittenen Stadium symptomatisch bemerkbar. »Es gibt nicht ein klares Leitsymptom wie beim Herzinfarkt.«
Das ist ein großes Problem, denn für eine Heilungschance bei Krebs ist die Zeit entscheidend. Während der Pandemie kam es verstärkt zu Verzögerungen in der Diagnostik, was laut Guth vor allem daran lag, dass Patienten den Gang zum Arzt gemieden haben oder geplante und notwendige Diagnostik verschoben werden musste. In der Kerckhoff-Klinik seien vermehrt Patienten im Stadium 3 oder 4 diagnostiziert worden, weniger in früheren Stadien. »Gerade bei so einer Tumor-Erkrankung können bereits Wochen relevant sein, die zwischen Wohl und Wehe entscheiden.«
Frühe OP einziger Weg zur Heilung
Da die Diagnose oft zufällig zustande kommt, wäre eine regelmäßige Kontrolle bei Risikopatienten (Raucher) sinnvoll. Laut Ghofrani gibt es internationale Anstrengungen, eine »Low dose«-CT-Untersuchung als jährlichen Standard für gefährdete Personen, insbesondere starke Raucher, zu etablieren. »Low dose« heißt in diesem Fall, dass die Belastung durch Röntgenstrahlung möglichst gering gehalten wird. Die Umsetzung sei seitens der Kostenträger und zuständigen Ministerien noch in der Diskussion, sagt Ghofrani. »Auf der medizinisch-wissenschaftlichen Ebene ist die Datenlage glasklar.«
»Hauptrisiko für Lungenkrebs in neun von zehn Fällen ist das inhalative Zigarettenrauchen«, unterstreicht der Ärztliche Geschäftsführer. Zwar gebe es auch andere Gefahren, zum Beispiel durch Asbest und Lösungsmittel, aber: »Der Vorschlaghammer ist und bleibt das Rauchen.« Für ein familiär bedingtes Lungenkarzinom hingegen gebe es keine harte Evidenz.
Welche Behandlungsmethoden gibt es? Der einzige Weg, den Patienten zu heilen, sei die operative Tumorentfernung in einem frühen Stadium, sagt Ghofrani. Dafür, erläutert Guth, müsse der Betroffene den Eingriff gut überstehen können. Gibt es da aufgrund von Gebrechlichkeit oder zu stark eingeschränkter Lungenfunktion Bedenken, bleiben Bestrahlung mit oder ohne Chemotherapie weitere Optionen. In der Anwendung moderner onkologischer Therapiekonzepte spielt die Molekulardiagnostik, bei der genetische Veränderungen des Tumors untersucht werden, eine signifikante Rolle. Hierdurch kann in vielen Fällen eine für den einzelnen Patienten und seine spezielle Tumorart abgestimmte Systemtherapie ausgewählt werden, ganz im Sinne der Präzisionsmedizin.
Es sei die Frage, ob es eine Möglichkeit gebe, den Patienten zu heilen oder ob es darum gehe, den Krebs und seine Folgen langfristig zu beherrschen, erläutert Ghofrani und bezeichnet Letztgenanntes als palliativen Ansatz. Dabei gehe es darum, eine Chronifizierung der Erkrankung zu erreichen. Heißt: Man lebt länger und das mit einer guten Lebensqualität.
»Statt wie früher ›an‹ Krebserkrankungen zu sterben, stirbt man heute immer öfter ›mit‹ dem durch die Therapien kontrollierten Krebs«, sagt Ghofrani und zieht eine Parallele zu Diabetes vor und nach der Erfindung des Insulins.
Es gibt auch die Verläufe, bei denen ein Patient operiert wird und der Krebs nach fünf Jahren nicht zurückgekommen ist. »Dann«, sagt Stefan Guth, »gilt im Falle des Lungenkarzinoms der Patient als geheilt. Für andere Tumorarten trifft das leider nicht zu.«
ARCHIVFOTO: NICI MERZ