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Kiebitze trillern, der Fuchs schaut in die Röhre

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Von: Myriam Lenz

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Staatssekretär Oliver Conz (l.) begrüßt die Naturschützer und Gäste am Bingenheimer Ried. © Myriam Lenz

Das Bingenheimer Ried ist ein Luxusresort in Grün für Kiebitz und Co - und das dank eines Drahtzaunes. Umweltstaatssekretär Oliver Conz ist hocherfreut und vergibt eine Plakette in Gold.

Es gibt nicht viele Zäune, die so einen guten Ruf haben wie jener um das Bingenheimer Ried. Dieser Kiebitzschutz findet große Beachtung. Etwa 20-mal hat Walter Schmidt das Konzept dafür mittlerweile als Blaupause in Deutschland herumgeschickt. Den Hintergrund dazu verdeutlicht jetzt Staatssekretär Oliver Conz. Während drumherum lautstarkes Gequake zu vernehmen ist und reger Vogel-Flugverkehr herrscht, stammen die Stimmen vor dem Zaun von zahlreichen Naturschützern.

Sicher vor Fuchs und Waschbär

Der alte Weidezaun ums Ried wurde auf Anregung der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) 2021 und 2022 durch einen Elektrozaun ersetzt. Der mächtige Zaun ist ein Erfolg. Jede Menge Vögel haben einen Lebensraum mit genügend Wasserflächen gefunden und fühlen sich sicher vor Fuchs und Waschbär und Co. Die Prädatoren fressen zu gerne das Gelege von Brutvögeln.

Damit ist jetzt Schluss. Nachdem auch wirklich alle Schlupflöcher gestopft sind, bleiben die vierbeinigen Jäger vor dem Zaun. Selbst der schlaue Fuchs hat nicht begriffen, dass er den in den Boden eingeschlagenen Draht untergraben könnte, wenn er nicht direkt am Zaun buddeln würde, sondern ein Stück davor.

Ausgefuchst war in diesem Fall Projektleiter Walter Schmidt, dessen Idee das mit dem eingeschlagenen Stück Draht war. Als Funktionsbeamter Naturschutz des Forstamts Nidda ist er Mitinitiator des Schutzzaunes und für zahlreiche weitere Naturschutz- und FFH-Gebiete der Wetterau zuständig. Die über 2,50 Meter hohe Abgrenzung mit den zwei Litzen ist eine handfeste und durchdachte Sache. Schmidt hat auch ein Händchen dafür, das Ehrenamt, die Hauptamtlichen, Jäger, Landwirte und Förster für eine Sache zu gewinnen. Etliche Vertreter sind da. Stellvertretend für viele andere sei »Storchenvater« Udo Seum vom NABU genannt, Ralf Eichelmann von der Fachstelle Agrarförderung und -umwelt, Vogelexperte Stefan Stübing, Dr. Tobias Erik Reiners, Vorsitzender der HGON, Forstamtsleiter Bernd Reißmann und sein künftiger Nachfolger Marian Krüger, Andreas Mohr für die Jägerschaft. Auch Echzells Bürgermeister Wilfried Mogk kommt angeradelt.

Plötzlich steht nicht der Kiebitz, sondern Schmidt im Mittelpunkt der Veranstaltung. »Es ist Pionierarbeit«, beginnt der Staatssekretär. Man habe ein Schutzgebiet geschaffen, das bundesweit Anerkennung erfahre und vielen Vogelarten einen Lebensraum biete, und das trotz der Nähe zum Ballungsgebiet. Die Maßnahmen seien zu Beginn nicht unumstritten gewesen.

Ein quirliger Parameter für die Wirksamkeit des Baus ist der Kiebitz. Er ist besonders leicht zu erfassen, steht für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten, die an eine natürliche Wasserstandsdynamik in Auen angepasst sind. Für die Vogelart war der Zaun die Rettung. Während 2020 nur noch 23 Brutpaare gezählt wurden, sind es heute etwa 95 Kiebitz-Männchen und 132 Weibchen, davon 48 bebrütete Nester und 32 Familien.

Durch das Fernglas entdeckt Stefan Stübing eine Löffelente und zeigt sie den Gästen: In Hessen wurde von ihnen bis letztes Jahr kein einziges Küken gesehen. Nun sind es mittlerweile 25 Paare mit über 100 Küken. Des Weiteren sind die Spießente, die Knäkente, die zu den Zugvögeln gehört, der Rotschenkel, der zu den Wattvögeln zählt, die Schnatter-, Reiher-, Krick- und Stockenten heimisch. Sie hätten sonst wohl keinen Brutplatz in Hessen gefunden. Seit Anfang des Jahres sind über 160 Vogelarten alleine in diesem Gebiet gesehen worden. Mehr als zwei Drittel sind Zugvögel, die hier pausieren oder sogar im Ried bleiben. Udo Seum: »Es hatte niemand damit gerechnet, dass es solch umfangreichen Auswirkungen hat.«

Die überragenden Ergebnisse haben mit den Leuten zu tun, sagt Conz und wendet sich Schmidt zu, lacht. »Er verbaut mit weitem Abstand das meiste Geld für den Naturschutz. Walter Schmidt ist in der Wetterau, in Hessen und darüber hinaus zum Inbegriff für anpackenden und erfolgreichen Naturschutz geworden. Nur dank seines Einsatzes und seiner vorbildlichen Zusammenarbeit mit dem ehrenamtlichen Naturschutz und der Landwirtschaft vor Ort konnte das Vorhaben hier im Bingenheimer Ried so schnell realisiert werden«, hebt Conz hervor und überreicht ihm die Ehrenplakette in Gold des Landes Hessen. Nur wenige, das versichert der Staatssekretär, erhalten diese.

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Walter Schmidt (l.) erhält vom Staatssekretär die Ehrenplakette in Gold des Landes Hessen. © Myriam Lenz

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