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»Geld ist auf Dauer kein Motivator«

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Andernorts kämpft man mit Fachkräftemangel, Florstadts Rathauschef Herbert Unger hat damit offenbar keine Probleme. Er setzt unter anderem auf gutes Betriebsklima. ARCHIV © Klaus Nissen

Viele Kommunalverwaltungen und Unternehmen klagen über einen Mangel an qualifiziertem Personal. Die Stadt Florstadt hat dieses Problem gegenwärtig nicht. Bürgermeister Unger erklärt, warum.

F achkräftemangel ist gegenwärtig in vielen Unternehmen, Organisationen und Behörden ein Problem. Wie wirbt man gut ausgebildete Kräfte an und mit welchen Mitteln lassen sich qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten? Florstadts Bürgermeister Herbert Unger erklärt nun im Gespräch mit dieser Zeitung, wie seine Kommunalverwaltung diese Herausforderung angeht und warum Geld dabei nicht der entscheidende Faktor ist.

Herr Unger, viele Unternehmen und Verwaltungen haben Probleme, genug fachkundiges Personal zu bekommen. Wie sieht es in Florstadt aus?

Wir sind keine Insel der Seligen. Aber in unserer Stadtverwaltung habe ich den Fachkräftemangel nicht.

Wie kann das sein?

Es gibt eine gute Bindung zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der Stadt als Arbeitgeberin. Ich denke, dass wir human und sozial eingestellt sind. Wir streben eine angenehme Arbeitsatmosphäre an.

Sie haben also ein gutes Betriebsklima? Wie kriegt man das hin?

Indem man den Spaß an der Arbeit erhält. Und über die Arbeitszeitregelung. Wir haben eine Dienstvereinbarung über gleitende Arbeitszeiten. Zusätzlich gibt es auch mal frei, wenn ein Unfall in der Familie ist, oder ein Krankheitsfall. Und wenn ein Mitarbeiter persönliche Probleme an mich heranträgt, muss ich auch Verständnis dafür haben, dass sich seine Arbeitsleistung vorübergehend ändert. Die gute Kommunikation und ein humaner Umgang miteinander zahlen sich aus. Da gibt es keine Abwanderung. Wenn keiner kündigt, fühlen sich die Leute offenbar wohl.

Wie viele Menschen arbeiten für Florstadt?

In der Verwaltung sind es 30. Insgesamt an die 140. Allein in den Kindertagesstätten arbeiten um die 70 Menschen, die Minijobber nicht mitgezählt. Im vorigen Oktober konnten wir in Nieder-Florstadt eine Kita mit sieben Gruppen an den Start bringen. Dafür haben wir vorher schon Leute eingestellt und andere ausgebildet. Darauf muss man Jahre vorher hinarbeiten.

Zahlen Sie übertarifliche Gehälter?

Nein. Geld ist auf Dauer kein Motivator. Dafür steht keiner gerne jahrelang morgens früh auf und macht einen unattraktiven Job. Es muss Freude bereiten, zur Arbeit zu gehen. Außerdem bergen übertarifliche Zahlungen die Gefahr, dass es sehr schnell zu Ungerechtigkeiten kommt.

Inwiefern?

Es kann zu Ungleichgewichten gegenüber anderen Abteilungen der Verwaltung kommen. Wenn das Kita-Personal höher bezahlt wird, muss ich die ebenso verzweifelt gesuchten Elektriker für den Bauhof ebenfalls besserstellen. Das bringt Unruhe ins ganze System.

Also mehr gute Laune als mehr Geld für die Menschen im Rathaus?

Auf jeden Fall ist die Arbeit bei uns abwechslungsreicher als in größeren Verwaltungen. In der Finanzabteilung der Großstadt hat man immer dieselben Gewerbesteuer-Fälle mit den Buchstaben A bis F zu erledigen. Bei uns fällt das ganze Portfolio von der Hundesteuer-Anmeldung bis zur Gewerbe- und Grundsteuer an. Da redet man auch mal mit den Leuten, die ihren Hund anmelden.

Spürt die Stadtverwaltung den Fachkräftemangel denn bei ihren Dienstleistern?

Seit der Pandemie schon. Wenn man mal einen Heizungsmonteur oder einen Dachdecker braucht, wird es schwierig. Wir haben zwar unsere Stammlieferanten, aber die haben zu wenig Leute. Schwierig ist es, wenn die Handwerker die Baustelle schon verlassen haben und dann noch Nacharbeiten zu machen sind. Dann wird es zäh.

Es gibt zu wenige junge Menschen, die ins Handwerk wollen?

Das Problem fängt schon bei den Eltern an. Die wollen von Anfang an, dass ihr Nachwuchs einmal Abitur macht. Die Kinder sollen Akademiker werden. Dieser Druck führt dazu, dass sie nicht mehr unbefangen lernen können. An den Ergebnissen der Eignungstests für unsere Azubis kann man klar ablesen, dass das Bildungsniveau der Schulabgänger in den vergangenen Jahren gesunken ist. Gleichzeitig sind die Anforderungen der Arbeitgeber gestiegen. Nur die wenigsten Hauptschulabgänger schaffen es noch, den Gesellenbrief zu erlangen.

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