Wird Büdingen blaue Kommune? Parlament vor wegweisendem Beschluss

Wird Büdingen Blue Community und stellt damit Wasser unter besonderen Schutz? Welche Initiativen auf kommunaler Ebene dazu beitragen können, lässt sich in der Stadt gut beobachten.
Das Thema Wasser ist vielfältig - und wichtig. Wird der Klimawandel in Zukunft die Trinkwasserversorgung gefährden? Wie sicher sind wir vor Wetterextremen wie Hitze und Trockenheit oder Hochwasser? Ganz zu schweigen von der Frage, wie die Situation in anderen Teilen der Welt aussieht.
All das können Themen sein, die eine Blue Community in den Mittelpunkt stellt. Also auch bald Büdingen? Denn: die ehemalige Kreisstadt will Blue Community werden. Nachdem das Thema schon seit einigen Jahren hinter den Kulissen rumort, steht jetzt die politische Entscheidung an. Am kommenden Freitag, 21. Januar, wird die Stadtverordnetenversammlung darüber abstimmen, ob Büdingen der internationalen Initiative beitritt.
Der Weg zur Blue Community
Um Blue Community zu werden, muss eine Gemeinschaft, wie eine Kommune oder eine Schule, eine Selbstverpflichtungserklärung abgeben, mit der sie sich zu den Prinzipien der internationalen Initiative bekennt. Und dann? Es geht um Wasser, so viel ist klar. Was das Blue Community-Sein ansonsten beinhaltet, ist nicht im Detail vorgegeben: Es gibt kein »Zertifizierungsverfahren«, Kommunen und Institutionen deklarieren sich selbst als Blue Community, sobald sie sich dazu bereit fühlen, lautet die Information im Beschlussvorschlag. Damit komme ein Prozess in Gang, der »nachhaltig verfolgt und gelebt werden muss«. Dafür soll in Büdingen zunächst ein Arbeitskreis aktiv werden, der sich mit der Ausgestaltung des Blue Community-Gedankens beschäftigen soll.
Als Eckpunkte dazu dienen die vier Prinzipien. Sie lassen sich am besten nachvollziehen, wenn man den Ursprung des Projektes Blue Community betrachtet: In den 1980er und 1990er Jahren kämpfte eine globale Wasserbewegung gegen die Kommerzialisierung und Privatisierung von Wasserressourcen und -versorgung. Zu ihren Initiatoren gehört Maude Barlow, Aktivistin, Publizistin und Trägerin des alternativen Nobelpreises im Jahre 2005, die auf ihrer Europareise voraussichtlich im Mai in Büdingen Halt machen wird. Unter ihrer Beteiligung begann 2009 das Blue-Community-Projekt im Kampf gegen Wasserprivatisierung in Kanada, das seitdem weltweit neue Anhänger findet.
2010 erreichte die globale Wasserbewegung, dass die Vereinten Nationen (UN) den Zugang zu sauberem Wasser und Sanitärversorgung als fundamentales Menschenrecht anerkennen. Die Wasserbewegung verzeichnete vielerorts Erfolge, gleichwohl bestehen die Probleme weiter. Nach wie vor haben zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Dazu kommen der Klimawandel und eine prognostizierte, mögliche Wasserkrise. Eine Blue Community erkennt deshalb gemäß des UN-Beschlusses das Menschenrecht auf Wasser an. Zweitens versteht sie Wasser als öffentliches Gut und fördert deshalb laut dem dritten Grundsatz die Nutzung von Leitungs- anstatt Flaschenwasser. Viertens arbeitet eine Blue Community in einer internationalen Partnerschaft mit anderen öffentlichen Institutionen zusammen.
Mit einem Beschluss bestätigt die Stadtverordnetenversammlung - stellvertretend für die Stadt sowie ihre Bürgerinnen und Bürger - also zunächst die Anerkennung und Wahrung der Blue Community-Prinzipien. Schließlich sollen dieser Verpflichtung aber auch Taten folgen: Diesbezüglich ist in den vergangenen Jahren schon einiges passiert, Ideen haben die Wegbereiter des Projektes in der Stadt noch viele:
Claus Wilkens - der Wegbereiter
Claus Wilkens, Lehrer am Büdinger Wolfgang-Ernst-Gymnasium, kam vor etwa vier Jahren im Zuge des damaligen Brasilien-Projekts »Schüler helfen« auf das Thema Wasser und die Blue Community. Wilkens holte den Bürgermeister mit ins Boot und nahm 2018 an einem Treffen teil, bei dem er Verantwortliche und Vertreter kennelernte. »Das Thema wurde in der Stadt und am Gymnasium diskutiert, bald auch in der Fördergemeinschaft und im Verein Demokratie leben«, schildert der Deutsch- und Religionslehrer. An der Schule liefen bereits Projekte, die das Thema Wasser einschließen, zudem wurde ein Wasserspender aufgestellt. Mit Unterstützung der Stadt gab es Ende September eine Informationsveranstaltung für alle Bürgerinnen und Bürger.
Die Rolle der Stadtwerke
»2021 hat das Projekt dann an Fahrt aufgenommen«, sagt Claus Wilkens. Schon Anfang 2020 involvierte er außerdem die Büdinger Stadtwerke und deren Betriebsleiter Jochen Heyermann, der selbst großen Wert auf die Vermittlung von Wissen rund um das Wasser legt. Egal, ob es um Tipps zum Wassersparen oder um »Wasserwissen« und Experimente, etwa an Kindergärten und Schulen, geht. »Wir haben natürlich großes Interesse daran, dass unsere Wasserressourcen dauerhaft vorhanden sind und sauber bleiben. Die Blue Community bietet ganz andere Möglichkeiten, das ins Bewusstsein der Menschen zu rücken«, sagt Heyermann.
Auch Bürgermeister Erich Spamer (FWG) ist das Thema eine Herzensangelegenheit. So stehen inzwischen auch in der Stadtverwaltung und bei den Stadtwerken Wasserspender. »Die Qualität des städtischen Wassers ist bestens. Durch Blue Community hoffe ich, dass man an dem Thema ständig dranbleibt«, sagt Spamer.
Im März wird er seinen Platz im Rathaus an Benjamin Harris (CDU) abtreten, die Unterstützung seitens der Stadt ist dann weiterhin sicher: »Ich bin bereits umfassend über informiert und stehe selbst zu 100 Prozent hinter den Prinzipien«, erklärt Harris. Er sei dankbar, dass Spamer die Sache in die Wege geleitet habe. Er habe Ende 2021 alle Fraktionen angeschrieben, um das Thema Blue Community fraktionsübergreifend ins Parlament zu bringen. »Die CDU hatte einen ähnlichen Antrag geplant, negative Rückmeldungen habe ich nicht bekommen«, sagt Spamer, der mit einer breiten Mehrheit rechnet.
Besuch von Maude Barlow
Wenn alles klappt, könnte das Blue-Community-Zertifikat von Maude Barlow persönlich am 23. Mai übergeben werden. »Der Besuch ist geplant, Demokratie leben kommt für die Reisekosten auf. Maude Barlow wird voraussichtlich die Schule besuchen und aus ihrem Buch lesen«, erklärt Claus Wilkens.