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Von Krieg, Frieden und Macht

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Auf Einladung des SPD-Vorsitzenden von Lorbach/Vonhausen/Diebach, Jürgen Rollmann, ist Rudolf Scharping in der Wolfgang-Konrad-Halle zu Gast. Gemeinsam mit Boris Winter (Vorsitzender OV Büdingen) und Lisa Gnadl gibt es zum Schluss ein Gruppenbild. © Oliver Potengowski

Die Weltpolitik - vom Krieg in der Ukraine bis zu Chinas weltpolitischer Rolle - stand im Mittelpunkt eines Vortrags, den der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Rudolf Scharping in Lorbach hielt.

E inen ebenso prominenten wie kompetenten Gast hatte Lorbachs SPD-Ortsverein in die Wolfgang-Konrad-Halle geladen. Dabei war vorherzusehen, dass in der Diskussion der rund 50 Besucher mit dem ehemaligen Verteidigungsminister und SPD-Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping der Krieg Russlands gegen die Ukraine eine zentrale Rolle spielen würde. Eindeutig sprach sich Scharping für die weitere Unterstützung der Ukraine mit Waffen aus.

Dass neben SPD-Urgesteinen, wie Bernd Leitner, Dieter Egner oder Werner Geyer, auch bekannte Vertreter umstrittener Positionen aus der »Spaziergänger«-Szene im Publikum saßen, ließ eine engagierte und kontroverse Diskussion erwarten. Zumal Scharping selbst seinen erfreulich knappen, aber fokussierten Einführungsvortrag mit dem Überfall auf die Ukraine begann.

Dabei betonte er, dass die russische Aggression wie bereits die Besetzung der Krim 2014 ein »klarer Völkerrechtsbruch« sei, den keine Vorgeschichte rechtfertige. »Es gibt einige Dummköpfe, die wollen, dass wir uns so schnell wie möglich aus internationalen Lieferketten und Verflechtungen zurückziehen«, kritisierte er ebenso entschieden. Dass VW 40 Prozent seines Umsatzes und mehr als die Hälfte des Gewinns in China macht, 85 Prozent der Solartechnik für Deutschland und der überwiegende Teil der Vorprodukte für Antibiotika aus dem autoritären Staat kommen, sind sicher gute Argumente.

Zurückhaltend gibt er sich bei kritischen Fragen zu China, etwa der Taiwan-Thematik. Er warnte davor, sich bezüglich eines möglichen Einflusses Deutschlands »unrealistischen Einschätzungen oder gar Feindbildern« hinzugeben. Es könne Freundschaften zwischen Menschen, Kommunen, vielleicht sogar zwischen Völkern geben. Staaten hingegen hätten keine Freunde, sondern Interessen, zitierte er Charles de Gaulle.

China als Vermittler?

»Wenn es überhaupt ein Land gibt, das in Russland Einfluss geltend machen kann und nicht mit Nato oder EU identifiziert wird, dann ist das China«, analysierte Scharping dessen mögliche Rolle in einem Friedensprozess. Dazu wies er darauf hin, dass es ungeachtet öffentlicher Erklärungen auch zwischen China und Russland zu viel Konfliktpotenzial gebe, als dass China vorbehaltlos an dessen Seite stehe. Schließlich habe Russland und später die Sowjetunion große Teile Chinas besetzt, was nicht vergessen sei.

Immer wieder fragten Zuhörer nach der Vorgeschichte des Kriegs und dem Sinn von Waffenlieferungen. »Jeder Panzer tötet Menschen und unterscheidet nicht zwischen Soldat und Zivilist«, formulierte Horst Richter das Dilemma aus pazifistischen Überzeugungen und dem Einstehen für die Existenz der Ukraine. »Putin und Russland gehen erkennbar davon aus, es sei Russlands natürliches Recht, über seine Nachbarn zu bestimmen«, stellte Scharping den imperialistischen Anspruch klar. »Ich finde es richtig, der Ukraine zu helfen, ihre Freiheit zu bewahren und ihr Gebiet wieder herzustellen.«

Er sprach sich deutlich dafür aus, dass Deutschland gemeinsam mit Europa mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit und den erreichten Wohlstand übernimmt. In diesem Zusammenhang und vor der wirtschaftlichen Ausbeutung von Entwicklungsländern, auch für die Elektromobilität, lenkte er den Blick auf das Bevölkerungswachstum in Afrika und Migrationsbewegungen.

Wenn Menschen in den Entwicklungsländern nur 20 Prozent des Lebensstandards der EU-Bürger hätten, ginge es ihnen 100 Prozent besser, gab er zu bedenken. »Wenn wir dabei etwas weniger wohlhabend werden, dann empfinden die das sogar als gerecht.«

Richter sah Deutschlands Wohlstand bereits in einer Abwärtsspirale. »Vielleicht diskutieren wir in der Partei mal darüber, was Wohlstand ist«, regte er an. Scharping sah hier eine besondere Verantwortung der SPD. »Wenn der Sozialdemokratie die Fähigkeit verlorengeht, soziale Schicksale in einen bestimmten Kontext zu stellen, dann geht die Entwicklung nach rechts«, mahnte er. Die Partei müsse verhindern, »dass aus Verzweiflung, aus Abstiegsängsten wieder etwas Braunes wird«.

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