Betzenröder überrascht: Landhaus Appel ist neue Flüchtlingsunterkunft

In Betzenrod sind am Mittwoch in eine neue Gemeinschaftsunterkunft des Vogelsbergkreises die ersten Flüchtlinge, junge Syrer, eingezogen. Im Dorf fühlen sich viele Einwohner überrumpelt.
Die Immobilie ist kein bedeutungsloses Haus für das Dorf mit seinen knapp 600 Einwohnern, auch nicht für die Großgemeinde Schotten. Denn zur Gemeinschaftsunterkunft wurde in Betzenrod das Landhaus Appel umfunktioniert, ein Hotel mit 45-jähriger Geschichte, mit 25 Betten und guter Küche.
Hintergrund für die neue Nutzung ist ein Besitzerwechsel. Die langjährige Eigentümerfamilie hat das mitten, dominant im Ort an der Durchgangsstraße nach Altenhain stehende Gebäude aus Altersgründen verkauft.
Kurz vor Weihnachten war der Notartermin. Allerdings, so versicherte es Karl Appel gegenüber dieser Zeitung, ohne von der neuen Nutzung etwas zu wissen.
Der Käufer, ein Investor, der anonym im Hintergrund bleiben will, habe ihm mitgeteilt, das Haus zunächst als Hotel Garni mit einem Frühstücksangebot aber ohne Restaurant weiterzuführen.
»Hätte ich gewusst, dass hier Flüchtlinge einquartiert werden sollen, hätte ich nicht verkauft«, sagt Appel. Bereits in der jüngeren Vergangenheit habe es verschiedene Anfragen gegeben, die er aber immer abschlägig beschieden habe, so Appel.
Information per Videokonferenz
Der Vogelsbergkreis, der für die Zuweisung von Flüchtlingen anhand der zu erwartenden Flüchtlingszahlen zuständig ist, hatte ein Auge auf das Haus geworfen.
So sei eine mögliche Anmietung und Nutzung des ehemaligen Landhauses als Gemeinschaftsunterkunft in einer - nicht öffentlichen - Sitzung des Kreisausschusses am 15. November beschlossen worden, teilen Landrat Manfred Görig und der Erste Kreisbeigeordnete Dr. Jens Mischak über die Pressestelle mit.
Darüber sei auch Bürgermeisterin Schaab im Rahmen einer Videokonferenz informiert worden. Allerding sei zum damaligen Zeitpunkt noch nicht klar gewesen, ob die Immobilie als Gemeinschaftsunterkunft tatsächlich auch zur Verfügung stehe.
In diesem Zusammenhang bekräftigt die Bürgermeisterin, dass der ehemalige Besitzer nicht gewillt gewesen sei, sein Hotel an einen Käufer für eine spätere Nutzung als Flüchtlingsgemeinschaftsunterkunft zu veräußern.
Der Neubesitzer hat mit dem Vogelsbergkreis im Verlauf der zurückliegenden Wochen eine Verpachtung ausgehandelt. Der Betreibervertrag sei am 11. Januar beim Kreis eingegangen, teilt die Pressestelle mit.
Kreis: Unterbringung kann nicht warten
Ursprünglich sollte der Start der Gemeinschaftsunterkunft demnach bereits am 16. Januar erfolgen. Wegen eines Heizungsschadens fand die offizielle Übergabe des Gebäudes aber erst am vergangenen Wochenende statt, berichtet Appel.
Der Kreis begründet die schnelle Einleitung der neuen Nutzung damit, dass die »Unterbringung Geflüchteter nicht warten« könne. Daher sei der Belegungsstart für den 1. Februar - drei Tage nach der Schlüsselübergabe festgelegt worden.
Zeitgleich mit dem Einzug der ersten Flüchtlinge am Mittwoch wurden auch eine Vielzahl von Kühlschränken auf dem Parkplatz des früheren Hotels ausgeladen.
Das hatte die Bevölkerung Betzenrods misstrauisch gemacht, wie auch vorbereitende Aktivitäten in dem Haus am Vorabend. Die Neuigkeit verbreitete sich in Windeseile. In den sozialen Medien wurden sogleich Befürchtungen und Ängste geäußert.
Vor allem: Niemand wusste etwas Näheres. »Auch ich habe null Informationen über Details«, sagte Bürgermeisterin Schaab noch am Donnerstagvormittag. Sie sei am Dienstagabend darüber unterrichtet worden, dass am Mittwoch das ehemalige Landhaus als Gemeinschaftsunterkunft des Vogelsbergkreises eingerichtet werden soll.
Bevölkerung auf Situation vorbereiten
Eine Nachfrage beim Kreis, vorab eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung zu veranstalten, sei bis dahin nicht beantwortet worden.
Auch Ortsvorsteher Sebastian Reiß beklagt den fehlenden Informationsfluss. »Das schürt nur Ängste, anstatt die Bevölkerung auf die neue Situation vorzubereiten. Man sollte das Dorf doch mitnehmen, und die Menschen nicht völlig alleinlassen.«
Bürgermeisterin Schaab ergänzt, durch die vollendeten Tatsachen würden letztlich auch Wohlmeinende des Flüchtlingsproblems vergrätzt.
Die Umwidmung des Landhauses Appel hat auch Folgen für den Tourismus in Schotten. »Das ist ein herber Verlust. Schotten geht Bettenkapazität verloren und auch ein gut geführtes Restaurant, auch mit Zuspruch aus den umliegenden Städten und Gemeinden«, so die Bürgermeisterin.
Der Tourismus ist laut der Regionalplanung Hessen Mitte das einzige wirtschaftliche Entwicklungspotenzial für Schotten.
Infoversnstaltung am 6. Februar 2023
Inzwischen hat der Vogelsbergkreis für den kommenden Montag, 6. Februar, um 16.30 Uhr im örtlichen Dorfgemeinschaftshaus eine Informationsveranstaltung für die Öffentlichkeit geplant, wie der Kreis-Anzeiger auf Anfrage erfuhr.
Dabei sollen Mitarbeiter des Vogelsbergkreises zur Inbetriebnahme der Gemeinschaftsunterkunft Stellung beziehen und Fragen beantworten.