ABSCHIED Pfarrer Heinz Weber geht nach 32 Jahren in Echzell in Ruhestand / Stelle wird ausgeschrieben
ECHZELL - (ida). Heinz Weber will lernen: seine Gemeinde nach 32 Jahren als Pfarrer loszulassen. Sich als Pensionär fühlen. Sich zurückziehen. Das ist Neuland für den 65-jährigen Vollblut-Pfarrer. „Sechs Monate werde ich in der Gemeinde nichts machen“, sagt er. Zeit, um seine Rolle als Ruheständler anzunehmen.
Gar nichts zu tun, will er allerdings vermeiden. Die Besuche und Gottesdienste in der Seniorenresidenz in Bisses wird er nach seiner Verabschiedung am Sonntag, 29. Juni, übernehmen, bis ein neuer Gemeindepfarrer gefunden ist. Ab Juli vertritt er seinen Kollegen Wilfried Höll in Ober-Widdersheim. „Er hat gefragt, weil er zur Reha muss, da helfe ich selbstverständlich.“ Danach geht es in den Urlaub an die Nordsee. Gern würde sich Weber künftig im Hospizdienst einbringen.
Hilfsbereit, nahe bei den Menschen, freundlich, zupackend, im Ort unterwegs, stets ansprechbar – so kennen die Echzeller „ihren Pfarrer“. „Mit mir und Echzell – das stimmte von Anfang an“, resümiert Weber. Als Junggeselle kam er 1982 nach Echzell. Lebte sich schnell ein, mischte im Vereinsleben mit. Lernte seine Frau Martina kennen, heiratete in „seiner“ Kirche – getraut vom Bruder, der ebenfalls Pfarrer ist. Die drei Kinder Christiane (30), Matthias (28) und Andreas (26) wuchsen im Pfarrhaus auf. Vor zwei Jahren kaufte die Familie ein Haus am Nordring. Echzell bleibt die Heimat der Familie.
Heinz Weber wuchs in Biskirchen an der Lahn auf, sein Vater war Lokführer. Die Großmutter prägte die Kinder, brachte sie sonntags zum Kindergottesdienst. „Pfarrer wollte ich nie werden“, erzählt Weber. Er lernte in Wetzlar bei Phillips Industriekaufmann. Holte nebenbei sein Abitur nach, strebte ein Studium zum Lehrer an. Dazwischen leistete er Zivildienst, eine für ihn entscheidende Lebensphase. „Ich musste eine Gewissensprüfung machen. Da wurde mir bewusst, wie schlagfertig ich sein konnte.“ Froh gelaunt absolvierte er seinen Dienst im Krankenhaus. „Ich sang auf den Gängen die alten Kirchenschlager wie ,Jesu geh voran‘“, erinnert sich Weber. Aber: „Damals wurde ich viel mit Leiden und Sterben konfrontiert.“ Danach stand sein Berufswunsch fest: Gemeindepfarrer.
„Ich wollte nicht Theologie studieren, sondern Pfarrer werden.“ Sechs Jahre Studium in Marburg folgten. Nebenbei engagierte er sich weiterhin in Biskirchen: Jugendkreis, Kirchenvorstand, Sportverein und Spielmannszug sowie in der Feuerwehr, wo er Jugendwart war. „Die Nähe zu den Menschen, zum Dorf, der Zusammenhalt der Vereine, die Feuerwehr – das gehört alles zusammen“, sagt Weber. Dieser Erfahrungsschatz prägt sein Leben und Wirken. Gemeinsam mit der Gemeinde etablierte er Kindergottesdienste, Hilfe für Suchtkranke und eine besondere Gottesdienstkultur. Sechs Jahre war Weber im Dekanat Nidda Dekan. „Das war eine neue Herausforderung. Danach war klar, dass ich meine Stelle nicht mehr wechsele.“ Seine Gemeinde und er passen gut zusammen. „Man muss den Mitarbeitern etwas zutrauen, sie machen lassen“, sagt Weber. Besondere Gottesdienste, der Ostergarten und viele Feste seien herausgekommen. „Klar, haben wir auch Fehler gemacht, hatten Flausen im Kopf“, erinnert er sich noch an einen Fußwaschungsgottesdienst. „Die älteren Damen mit ihren Strumpfhosen wuschen dann die Hände.“
Das Pfarrersein bringe auch ihn an Grenzen, aber in Gesprächen und Auszeiten im geistlichen Zentrum Schwanberg könne er auftanken. „Beerdigungen fallen mir in den vergangenen Jahren immer schwerer, weil ich die Echzeller kenne, es sind Freundschaften gewachsen.“ Aber er habe eine Profession: „Es muss sein, mein Auftrag ist es, mit den Angehörigen zu gehen.“ Pfarrer zu sein, bedeute, beide Seiten des Lebens annehmen, der frohe Botschafter sein und der Todesengel. „Noch bin ich im Dienst ganz schön gefordert, Hochzeiten, Taufen, Silberne Konfirmation. Ich habe das Gefühl, dass soll jetzt noch alles in meiner Dienstzeit passieren“, erzählt er. Der finale Tag rückt aber unaufhaltsam näher: Seine letzte Predigt als Gemeindepfarrer hält Heinz Weber am Sonntag, 29. Juni, im Gottesdienst, der um 14 Uhr beginnt. Anschließend (etwa ab 16 Uhr) gibt es in der Horlofftalhalle einen Abschiedsempfang mit Reden und Auftritten der Echzeller Vereine.
„Ich freue mich auf die Zeit, die kommt. Sonntags werden wir mit dem Rad zu Gottesdiensten fahren, um andere Kirchen kennenzulernen“, erzählt Weber. Für seine Gemeinde hofft er, dass bald ein neuer Pfarrer gefunden wird. Ab Juli hat das Dekanat eine Vakanz-Vertretung organisiert. Die Stelle wird dann im kirchlichen Amtsblatt ausgeschrieben. „Meine Seele wird es begreifen, dass ich dann nicht mehr der Pfarrer bin“, sagt Heinz Weber.
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