Von Michel KaufmannTARTE-BÄCKEREI Claudia Ostermann hat ihr Hobby zum Beruf gemacht, sie backt und verkauft herzhafte und süße Tartes
ECHZELL - In der kleinen Backstube duftet es herzhaft nach Zwiebeln. Claudia Ostermann legt gerade letzte Hand an eine Ladung Tartes, die Augenblicke später in den Ofen wandern. Ihre Backstube befindet sich im grauen Hinterhof einer ehemaligen Fleischerei. In dem Laden zur Straße hin befindet sich heute die Filiale einer Großbäckerei. Es sind zwei Welten, die da aufeinandertreffen. Während in der Bäckerei Massenware verkauft wird, sind Ostermanns Tartes Handarbeit.
„Einen normalen Plunder- oder Hefeteig biete ich nicht an. Das ist nichts Besonderes“, sagt die ausgebildete Wirtschafterin und Diätköchin. Seit zwei Jahren verkauft Ostermann die Tartes in ihrem Laden „La Vie“, der wenige Hundert Meter von der Backstube entfernt in Echzell an der Hauptstraße in Richtung Grund Schwalheim liegt. Sie setzt auf Klasse statt Masse. Wer früh kommt, hat die größte Auswahl. „Am Vorabend oder morgens produziere ich für den Tag. Ich habe nicht das Interesse, den Kühlschrank bis abends um 18 Uhr voll zu haben.“ Im „La Vie“ wird nach Bedarf produziert. „Manche Tarte schmeckt allerdings erst am nächsten Tag so, wie sie eigentlich soll“, sagt sie.
Bis die Tartes im Backofen sind, investiert Ostermann viele Stunden Arbeit. Zuerst wird der Mürbeteig aus Dinkelmehl vorbereitet. Wenn Ostermann herzhafte Tartes backt, verfeinert sie den Teig je nach Rezept mit Kräutern, bei süßen Tartes gibt sie manchmal Mandeln hinein. Weißen Zucker sucht man im Teig allerdings vergeblich.
„Auf Zucker kann ich in der Regel verzichten. Und wenn ich mal süßen muss, nehme ich eher Honig.“ Das Bio-Dinkelmehl kauft Claudia Ostermann jede Woche frisch bei der Lebensgemeinschaft Bingenheim. Daraus backt sie nicht nur die Tartes, sondern auch Brot, denn freitags und samstags kann man im „La Vie“ auch frühstücken. „Im Gegensatz zur Pâtisserie und Confiserie, wo das Aussehen die Waren bestimmt, ist für mich der Inhalt entscheidend“, sagt sie. Es soll vor allem schmecken, aber auch gesund sein. „Und das geht nur, wenn man natürliche Zutaten nimmt.“
Der Teig wird anschließend von Hand ausgerollt. Obwohl Ostermanns Töchter helfen, wo sie können, dauert das mehrere Stunden. Dann muss er mindestens eine Nacht ruhen. Dafür kommt er in die Kühltruhe. Bevor die Tartes belegt werden, wird der Teig zunächst vorgebacken, „damit er knusprig wird und der Belag nicht eindringt“. Man nennt das „blind backen“. „Die Temperaturführung ist so aufwendig, dass sich das heutzutage nur noch wenige Bäcker antun.“ Durch ihre Ausbildung hat Ostermann einen gewissen Background, „aber eigentlich war das zunächst nicht viel mehr als ein Hobby“. Bei einigen ihrer Produkte seien die Zutaten zwar teuer, „aber das Geschmackserlebnis rechtfertigt den Aufwand“, sagt sie, auch wenn man davon noch nicht leben könne.
Früher wohnte sie mit ihrer Familie in Bad Nauheim, einmal pro Woche wurde gebacken. „Diese Affinität zu Frankreich gab es bei uns schon immer. In jedem Urlaub haben wir uns durch all die kleinen Läden gegessen.“
Ostermann belegt die vorgebackenen Teigförmchen mit Comté, einem französischen Hartkäse. Oben drauf kommen die Zwiebeln, die sie zuvor angedünstet und gewürzt hat. „Rosmarin, Salz und Pfeffer, Ei und Crème fraîche, außerdem Zitronensaft, damit die Zwiebeln rot bleiben. Mehr ist es nicht“, sagt sie. Keine Bindemittel. Kein Zucker. Viel wichtiger ist der richtige Käse. „Mit dem Käse steht und fällt eine herzhafte Tarte. Den Comté habe ich zum Beispiel gestern aus Holland geholt.“
Irgendwann regten Freunde an, die Tartes zu verkaufen. „Wir sind damals wieder nach Echzell gezogen und ich bekam die Möglichkeit, diese Backstube zu nutzen.“ Fortan verkaufte Ostermann ihre Kreationen auf Märkten in Bad Nauheim, Friedrichsdorf und Gießen, „um zu testen, wie mein Produkt ankommt“. Nicht alle Erfahrungen, die sie sammelte, waren gut. „In Bad Nauheim hatte ich beispielsweise keine Chance, freitags zu verkaufen.“ Auf anderen Märkten gibt es Präsenzzeiten, an denen der Stand geöffnet sein muss. „Das war dann doch nicht mein Ding.“ Nach einem sehr kalten Winter reifte der Entschluss, einen eigenen Laden zu eröffnen.
Während die Zwiebel-Tartes backen, kümmert sie sich um die Kürbis-Variante. Im „La Vie“ wird saisonal gebacken, mit regionalen Zutaten, oft vegetarisch. „Eine Birne braucht die richtige Reife, ein Apfel die richtige Säure. Das einzige, was ich das ganze Jahr über mit Früchten anbieten kann, ist die Zitronen-Tarte. Im Sommer gibt es eben keine Orangen-Tarte. Darüber hinaus habe ich immer etwas Laktose- oder Glutenfreies.“
Das „La Vie“ ist klein und voller Deko-Artikel. Die alte Registrierkasse, eigentlich eine Zierde für jeden Tresen, steht ganz am Rand. Aus Platzmangel. Wer sich nicht entscheiden kann, wird von Claudia Ostermann leidenschaftlich beraten und will am Ende doch von allem probieren. Hauptsächlich sind es Stammkunden, die ihr Angebot schätzen. Sie kommen aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet. „Ich versuche, immer wieder etwas Neues anzubieten, auch wenn ich ohnehin saisongebunden unterschiedliche Sachen mache.“ Überhaupt sei das doch das Spannendste am Backen überhaupt: neue Rezepte finden, ausprobieren.
„Ich habe viele Idole und Bücher, aber ich mache mir immer Gedanken, wie man ein Rezept verbessern oder abwandeln kann.“ Manchmal merke sie schon beim Lesen, dass ein Rezept nicht funktionieren wird. „Es ist das pure Vergnügen, dass ich das so machen darf, wie ich es mache. Nehmen wir mal meine Zitronen-Tarte: Die gibt es so nur bei mir.“ Und wer es weder fruchtig noch herzhaft mag, greift einfach zur Schokoladen-Tarte.
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